piwik no script img

Arme Schwarzwurzel

■ Mit den üblichen Verdächtigen: Ulrich Knellwolfs Roman „Schönes Sechseläute“

Ulrich Knellwolf ist Pastor in Zürich. Daneben verfaßt er Kriminalromane, in denen es unter anderem um Pastoren in Zürich geht. So läßt Knellwolf in seinem neuesten Werk Schönes Sechseläuten einen Lokaljournalisten einem Pfarrersmord nachspüren, der sich bei den Festivitäten zum Zürcher Zunftfeiertag, dem „Sechseläuten“, ereig-net.

Leider bestätigen sich dabei aber auch die eher unguten Assoziationen, die einem zum Thema poetisierende Pfaffen in den Kopf kommen können. Denn das biedere und blutleere Handlungsgeschehen mit den üblichen Verdächtigen ist weder spannend noch plausibel um das Sechseläuten-Thema herumkonstruiert. Das mag ein Genuß sein für Zürich-Patrioten, Zunft-Freaks oder Sechseläuten-Besessene – nicht aber für Freunde doppelbödiger Krimis oder unterhaltsamer Romane überhaupt. Seltsamerweise stimmt der Anfang des Buches in letzterer Hinsicht noch hoffnungsfroh.

In einem bizarren Abschnitt, der sich unerklärlicherweise hierher verirrt zu haben scheint, berichtet eine alte Dame von einer pannenreichen Liebesnacht mit Adolf Hitler auf dem Obersalzberg. Hitler präsentierte sich ihr in „frühvergreister Lüsternheit“mit „erschlafftem Altmännergesäß“und „Füßen wie die Krallen eines versteinerten Urvogels“. Der dennoch beherzte Versuch, den Führer zu verführen, scheiterte letztlich an dessen fortgeschrittener Impotenz: „Das hing wie eine arme schimmlige Schwarzwurzel an ihm herunter, und wie er auch befahl und befahl – es lachte nur seiner.“

Der Leser hat ansonsten leider weniger zu lachen, sondern eher die Mühe, der drögen Mordsgeschichte bis zum Ende zu folgen. Eine dem Buch vorangestellte „schweizerische Redensart“liest sich da als böses Omen: „Guet Nacht am sächsi“. Denn Knellwolfs Schönes Sechseläuten ist literarisch ziemlich unsexy, trotz Adolf-Amourösitäten. In diesem Sinne: Gute Nacht.

Christian Schuldt

Ulrich Knellwolf: Schönes Sechseläuten, Arche Verlag, Zürich-Hamburg 1997, 291 Seiten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen