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Argentinien: Noch'n Plan

Devisenmarkt wieder eingeschränkt / Fünftes Notprogramm in sieben Wochen  ■  Aus Buenos Aires Harald Paul

Mit der gleichen Geschwindigkeit, mit denen seit drei Monaten Preise, Zinsen und Dollarkurs in die Höhe schießen, steigt die Zahl der wirtschaftspolitischen Programme der argentinischen Regierung. Nachdem sich der Dollarkurs in der Woche nach der Wahl des Peronisten Carlos Menem zum zukünftigen Präsidenten verdoppelt hatte, machte die Regierung Anfang dieser Woche Banken und Wechselstuben zu und kündigte eine neue Kurskorrektur in der Wirtschaftspolitik an. Am Dienstag abend nun verkündete Präsident Alfonsin in einer Fernsehansprache, daß die Wechselstuben und Devisenschalter der Banken die ganze Woche geschlossen bleiben.

Nach Angaben des Wirtschaftsministers wird die erst wenige Wochen alte völlige Freigabe des Wechselkurses wieder aufgehoben und ein offizieller Devisenkurs für Ex- und Importe festgesetzt. Zusätzlich gelten Exportsteuern von 30 Prozent für Agrarprodukte und 15 Prozent für Industrieprodukte. Angekündigt wurden neue Tariferhöhungen, aber auch eine kräftige Erhöhung des Mindestlohns. Einen Preisstopp hatte man bereits vor drei Wochen erlassen und mangels Erfolg in der letzten Woche wieder aufgegeben.

Das neue Maßnahmenpaket wurde mit Wirtschaftsexperten der peronistischen Partei abgestimmt. Am Dienstag scheiterten jedoch die Verhandlungen an der Frage der Tariferhöhungen und eventueller neuer Steuern, die die Peronisten nicht mittragen wollten. Die endgültige Bekanntgabe des Planes wurde daraufhin auf das Wochenende verschoben. Wahrscheinlich ist, daß die Peronisten die Maßnahmen der Regierung dulden werden. Da sie im Wahlkampf unter der Fahne des „Sozialpaktes“ und der „konzertierten Aktion“ angetreten waren, hatten die peronistische Gewerkschaftszentrale und der Industrieverband bereits von sich aus vor 14 Tagen ein Stillhalteabkommen geschlossen.

Es handelt sich bereits um den fünften Wirtschaftsplan seit Anfang April. Auf vielerlei Arten hatte der seitdem amtierende Wirtschaftsminister Pugliese versucht, die Exporteure dazu zu bringen, ihre Devisenerlöse in die Landeswährung zu tauschen, statt sie zu horten. Seit Februar hatten die großen Exporteure, auf einen besseren Kurs spekulierend, die Abrechnung ihrer Erlöse eingestellt.

Anfang Mai konnten sich die Exporteure und die großen Wirtschaftsverbände gegenüber der Regierung durchsetzen. Der Devisenmarkt wurde am 2.Mai bis auf eine Exportsteuer von 20 Prozent völlig freigegeben. Die Spekulation hatte sich gelohnt, zumindest für die Landwirtschaft und einige Industriekonzerne, die auf Export ausgerichtet sind. 50 Prozent der Ausfuhren werden von 50 großen Firmen durchgeführt. Seit Anfang Februar war der Dollarkurs, Inflation abgerechnet, real um 200 Prozent gestiegen. Selbst bei seinem bisherigen Höchststand von 1976 - vor dem Militärputsch - war der Dollar noch nicht so wertvoll wie heute.

Für die argentinische Währung bedeutete die zwischenzeitliche Freigabe eine drastische Abwertung sowie eine kräftige Anheizung der Inflationsspirale. Bei Preissteigerungen von mittlerweile dreieinhalb Prozent pro Tag ist die Grenze zur Hyperinflation überschritten. Der Höhenflug von Preisen, Dollarkurs und Zinsen führte bereits zur Schließung einer Reihe von Firmen.

Der nicht nur im Ausland, sondern auch im Inland hochverschuldete Staat ist inzwischen so gut wie zahlungsunfähig. Die wirtschaftspolitischen Maßnahmen zielen vor allem darauf, die Staatseinnahmen zu konsolidieren. Bereits letzten Donnerstag waren die Exportsteuern für Agrarprodukte auf 30 Prozent erhöht worden, die öffentlichen Tarife stiegen um 40 Prozent, nachdem sie bereits Anfang des Monats um 20 Prozent zugelegt hatten.

Selbst Wirtschaftsminister Pugliese zweifelt daran, daß die angekündigten Maßnahmen und der jetzt wieder offizielle Wechselkurs das wirtschaftliche Chaos beeinflussen können. Erst am 10.Dezember will Präsident Alfonsin wie geplant sein Amt abgeben, und nicht, wie spekuliert wurde, im Juli.

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