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Die Queen besucht Belsen

GRAUENS-ORT

Zum Abschluss ihres Staatsbesuchs, des ersten seit zehn Jahren, und, davon ist auszugehen, des letzten ihrer Amtszeit, reist Queen Elizabeth II. am kommenden Freitag nach Bergen-Belsen. Das ist ein starkes Zeichen – und ein gutes, weil es den Blick auch der pompversessensten RoyalistInnen und GelbblattkonsumentInnen aufs Grauen lenkt. Auf einen Ort, der eben nicht mit Weichzeichner verklärt und geschönt werden kann: Den Versöhnungsbesessenen erteilt das britische Staatsoberhaupt damit eine Absage.

Und die obszönen Stimmen, die anlässlich ihrer Deutschlandreise vor zehn Jahren ein Anerkenntnis deutschen Leides oder gar eine perverse Entschuldigung für den segensreichen britischen Luftkrieg erwarteten – hier bleiben sie stumm: Der Ortsname Bergen-Belsen ist für Briten die Chiffre des Holocausts. Die Chiffre des Leids, das Menschen Menschen antun können; das Deutsche vor allem sowjetischen Kriegsgefangenen und Juden aus verschiedensten Teilen Europas dort angetan haben. Es ist kein Ort der Versöhnung.

Diesen Stellenwert im kollektiven Gedächtnis, der den weit überschreitet, den dieses KZ im Bewusstsein der Deutschen hat, erlangte Bergen-Belsen einerseits, weil es das einzige KZ war, das von britischen Truppen zuerst erreicht und befreit wurde. Ein anderer Grund scheint zu sein, dass die Soldaten der elften Panzerdivision völlig unvorbereitet auf das Grauen trafen, und die Erzählungen und Berichte darüber die ganze Armee – der Prinzessin Elizabeth damals als Kraftfahrerin angehörte – und mit einigen Tagen Verzögerung das ganze Land, so heißt es, lähmten: Es war eine tiefe Erschütterung für die britische Gesellschaft, die vielleicht noch an Nachdruck gewann, weil sie eben aus dem ehemaligen Königreich Hannover kam – aus einem Gebiet, das irgendwie immer auch britisch war.

Die Massenmedien brachten vom Beginn der Evakuierung des Lagers am 21. April bis Ende Mai täglich neue Fotografien, Filme und Berichte aus dem Lager in der Heide – vom Kannibalismus unter den verhungernden Gefangenen, von den Massengräbern für Tausende Leichen zugleich, vom elenden Zustand der fast 40.000 Befreiten. Nur etwa 10.000 von ihnen haben die Rettung mehr als nur ein paar Tage überlebt. Ihrer ist auch am Freitag zu gedenken.  BES

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