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Die Odenwaldschule gibt auf

PLEITE Der Trägerverein der Traditionsschule meldet Insolvenz an. Die Finanzierung für weitere Jahre sei nicht gesichert, die Zahl der Schüler auf dem Tiefstand. Das laufende Schuljahr wird das letzte sein

BERLIN dpa/taz | Die krisengeplagte Odenwaldschule wird nun doch zum Ende des Schuljahres schließen. Wie der Trägerverein am Dienstagabend mitteilte, habe man beim Amtsgericht Darmstadt Insolvenz angemeldet.

Es sei zwingend geboten, der traurigen Wahrheit ins Auge zu schauen und sie klar auszusprechen, gaben die Vereinsvorsitzende Christiane Streitz und Geschäftsführer Marcus Halfen-Kieper per Pressemitteilung bekannt: „Und die Wahrheit ist, dass der Trägerverein der Odenwaldschule zwar nicht überschuldet, aber zahlungsunfähig ist.“ Es sei nicht gelungen, den Nachweis der gesicherten Finanzierung für die nächsten Schuljahren zu erbringen.

Das laufende Schuljahr werde noch zu Ende gebracht, versicherte der Verein. Die zuständigen Behörden würden Eltern und Kinder bei der Wahl zukünftiger Schulen beraten.

Vor kurzem hatte sich die Privatschule noch optimistisch zur eigenen Zukunft geäußert. Im Mai hieß es, die für einen Weiterbetrieb notwendige Summe von 2,5 Millionen Euro sei aufgetrieben worden. Nun wurde hingegen mitgeteilt, die Löhne für den Mai hätten nicht mehr gezahlt werden können.

In der 1910 gegründeten Internatsschule war es in den 70er und 80er Jahren zu zahllosen Fällen sexueller Gewalt an Schülern gekommen. Jahrelang vertuschte die Schule den Missbrauch, bevor er ab 2010 öffentlich diskutiert wurde. Mindestens 132 Schüler sollen betroffen sein.

In der Folge ging die Zahl der Schüler spürbar zurück und damit auch das Schulgeld für das Privatinternat. Für das neue Schuljahr hätten sich lediglich rund 80 Schüler angemeldet. „Damit sind weitere Einnahmen weggebrochen, die im Wirtschaftsplan vorgesehen waren“, so Streitz und Halfen-Kieper. Der Insolvenzantrag sei jedoch letztendlich die Folge aus dem langjährigen Wegsehen, Gewährenlassen und Zu-spät-Reagieren. „Junge Menschen wurden für ihr Leben geschädigt und zu Opfern unvorstellbarer sexualisierter Gewalt“, heißt es in der Erklärung. „Zu diesem menschlichen Bankrott kommen nun die finanziellen Folgen.“ ANNA LEHMANN

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