: Der große Sprung
PRÄVENTION Mers kam vom Kamel zum Menschen. Nun kämpft die WHO gegen eine Pandemie
BERLIN taz | Wieder ist es ein Wettlauf mit der Zeit, mit der Zahl der Ansteckungen und der Toten. Seit drei Wochen wütet in Korea ein hoch ansteckendes Virus. Doch vielleicht könnte es im Fall des „Middle East Respiratory Syndrome“, kurz Mers, klappen, dass ein Impfstoff verfügbar sein wird, bevor das passiert, was die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unter allen Umständen vermeiden will: eine Pandemie.
„Wir beobachten Mers schon seit 2012“, sagt der Biologe Markus Eickmann vom Institut für Virologie der Philipps-Universität Marburg. Zusammen mit Kollegen von den Universitäten in Hamburg und München wurden seither Bausteine für einen Impfstoff entwickelt, der schon in wenigen Wochen am Menschen getestet werden könnte. „Die Ergebnisse aus den Tierversuchen jedenfalls stimmen uns zuversichtlich, dass wir da einen Impfstoff-Kandidaten gefunden haben, der auch bei Menschen wirken könnte“, sagt Eickmann.
Das ist auch nötig: Die Zahl der Neuinfektionen in Korea steigt täglich; inzwischen hat eine erkrankte Person das Virus in das benachbarte China importiert – doch eine wirksame Therapie gegen Mers existiert bislang nicht.
Mers, erklärt Eickmann, „ist der kleine Verwandte des hoch ansteckenden Sars-Virus“. Letzteres verursacht Atemwegserkrankungen und Lungenentzündungen – bei einem Ausbruch im Jahr 2003 starben mehr als 800 Menschen an dem Virus. Wie Sars gehört auch Mers zu der Gruppe der Coronaviren, die bei Menschen grippeähnliche Symptome mit teils tödlichem Verlauf hervorrufen.
Erstmals wurde Mers 2012 bei Menschen in Saudi-Arabien nachgewiesen; typische Symptome sind Fieber, Atemprobleme, Lungenentzündungen, oft begleitet von Durchfällen und Erbrechen, sowie in schweren Fällen Nierenversagen. Die Übertragung von Mensch zu Mensch erfolgt vorwiegend über Tröpfcheninfektion, vermutlich aber auch, so die WHO, über Schmierinfektionen. Zwischen Ansteckung und Ausbruch der ersten Symptome vergehen zwischen 2 und 14 Tagen; während dieser Inkubationszeit sind Infizierte nicht ansteckend. Von Übertragungen in Flugzeugen – was das Risiko einer weltweiten Ausbreitung extrem erhöhen würde – wurde bislang nicht berichtet.
Seit dem ersten Auftreten im Jahr 2012 wurden der WHO rund 1.500 laborbestätigte Erkrankungen weltweit gemeldet, 85 Prozent davon in Saudi-Arabien. Laut Europäischem Zentrum für Prävention und Kontrolle von Krankheiten starben knapp 500 der Patienten.
Nach Deutschland wurden nach Angaben des Robert-Koch-Instituts bis März 2015 drei Mers-Fälle von Reisenden aus der arabischen Halbinsel importiert; ein Patient verstarb. Doch Deutschlands oberste Seuchenbehörde warnt: „Importierte Krankheitsfälle sind jederzeit möglich, da circa 1 Million Personen jährlich aus den Ländern der arabischen Halbinsel nach Deutschland einfliegen.“
Die Sterblichkeitsrate liegt laut WHO bei etwa 40 Prozent. Vermutlich ist sie aber etwas geringer, weil sich viele Menschen unbemerkt anstecken. Das heißt zugleich: Auch die Zahl der Erkrankten dürfte sehr viel höher liegen. Besonders schwere, oftmals tödliche Verläufe erleiden vor allem ältere Menschen mit Vorerkrankungen wie Krebs, Diabetes oder Immunsuppression. Gesunde Menschen überleben die Krankheit – anders als bei Ebola – in den meisten Fällen; nach etwa zwei Wochen verschwinden die Symptome wieder.
Als wahrscheinlich gilt, dass das Virus von Kamelen auf Menschen übergesprungen ist. Viele der Erkrankten hatten zuvor nicht ausreichend gegartes Kamelfleisch oder -milch verzehrt.
Mers-Patienten müssen nicht zwingend auf Spezialisolierstationen behandelt werden. Eine „normale“ Isolierung in Kliniken ist ausreichend, sofern Pfleger und Ärzte Schutzanzüge tragen und Hygienevorschriften einhalten. HEIKE HAARHOFF
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