: Südkorea kämpft gegen Mers
MERS-VIRUS Die neue tödliche Atemwegserkrankung breitet sich in Südkorea schneller aus als woanders – auch dank der bisherigen Fahrlässigkeit der Behörden
PRÄSIDENTIN PARK GEUN-HYE
AUS SEOUL FABIAN KRETSCHMER
Mit bisher zwei Todesfällen und insgesamt 25 Infektionen verbreitet sich das Mers-Virus in Südkorea aggressiver als in anderen Ländern. Schon jetzt hat der ostasiatische Tigerstaat nach Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten die drittmeisten Erkrankungen. Um die Epidemie einzudämmen, stellte die Regierung 750 Menschen unter Quarantäne.
Bislang waren alle Mers-Infizierten in Südkorea von ein und demselben Patienten angesteckt worden. Am Dienstag jedoch räumte das Gesundheitsministerium ein, dass die zwei jüngsten Fällen auf tertiäre Übertragungen zurückgingen. Seitdem steigt die Angst merklich.
Schon am Wochenende verkauften Onlinehändler 700 Prozent mehr Gesichtsmasken als üblich. Pharmakonzerne schlossen am Seouler Aktienmarkt mit dem größtmöglichen Tagesgewinn ab, Kurse von Fluglinien und Reiseanbietern brachen ein. Eine Grundschule stellte bereits den Betrieb ein, Dutzende weitere überlegen zu folgen.
Das „Middle East Respiratory Syndrome“ (Mers) wurde erstmals 2012 in Saudi-Arabien nachgewiesen. Seitdem sind knapp 1.200 Menschen daran erkrankt, davon 480 tödlich. Die Symptome sind Fieber, Atemprobleme, Lungenentzündungen und Nierenversagen. Mers gehört zu den Coronaviren, zu denen auch Sars zählt. Daran starben 2003 rund 800 Menschen. Bisher gibt es weder Impfstoff noch Heilmittel gegen Mers.
„Wir müssen den Grund finden für die ungewöhnlich hohe Übertragungsrate“, sagte Staatspräsidentin Park Geun-hye am Montag. Das Gesundheitsministerium prüft, ob Koreaner genetisch besonders anfällig für Mers sind. Bislang gibt es dafür jedoch keinen Beleg. Eine sichere Erklärung lieferte die 63-jährige Präsidentin gleich mit: Die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus bezeichnete sie als „unzureichend“.
Tatsächlich hätte sich die tödliche Atemwegserkrankung ohne Fahrlässigkeit der Behörden nicht so rasant ausbreiten können. Schon beim ersten Fall reagierte das Gesundheitsministerium zwei Tage zu spät. Ein 68-jähriger Koreaner befand sich bis Anfang Mai auf Geschäftsreise in Bahrain und suchte nach seiner Rückkehr mit Atemschwierigkeiten ein Krankenhaus auf. Da Bahrain jedoch nicht zu den Gefährdungsgebieten zählen würde, reagierten die Behörden zunächst nicht auf Warnungen der Ärzte. Als der Patient bereits mit Mers diagnostiziert wurde, ließen sie seinen Sohn außer Landes reisen – wieder gegen Anweisungen der Ärzte. In der südchinesischen Provinz Guangdong angekommen, zeigte der Südkoreaner Anzeichen der Erkrankung und steckte einen Chinesen an – der erste Mers-Fall in Festland-China.
Ein anderer Viruspatient fuhr gar eineinhalb Stunden lang im Fernbus nach Seoul, weil ein Spital in der Provinz Gyeonggi-do trotz Virusverdacht keine Ambulanz für die Überweisung in ein größeres Krankenhaus organisierte. Als der Erkrankte in der südkoreanischen Hauptstadt ankam, litt er schon so stark unter Atemproblemen, dass er selbst den Notarzt rief. Wenige Stunden später wurde er als 14. Mers-Fall diagnostiziert.
Das Gesundheitsministerium hat jetzt eine Task-Force zur Eindämmung von Mers eingerichtet. Dessen Leiter Kwon Jun-Wook erklärte am Dienstag, drei der Erkrankten seien an Atemgeräte angeschlossen und in kritischem Zustand. Man gehe davon aus, weitere Menschen unter Quarantäne zu stellen. In Hongkong wiederum verweigerten genau dies zwei südkoreanische Touristen, obwohl sie im Flugzeug in der Nähe des Infizierten saßen. Nun wurden sie von Sicherheitsbeamten festgenommen.
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