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„Unsicherheit und Ausgrenzung“

FLÜCHTLINGE Diskussionsabend über die Situation von Flüchtlingen ohne Aufenthaltsstatus

Gabriel Goritzka

■ 30, ist Rechtsanwalt für Migrationsrecht und Soziales in Bremen.

taz: Welche Auswirkungen hat der Status Duldung auf die Flüchtlinge im täglichen Leben?

Gabriel Goritzka: Unsicherheit und Ausgrenzung: kurz verlängerte Duldungen, lange Bearbeitungszeiten von Asylanträgen, faktisches Arbeitsverbot. Arbeit ist nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde möglich und da gilt in den ersten 15 Monaten die „Vorrangprüfung“, also die rechtspopulistische Forderung, „Arbeit zuerst für Deutsche“.

Wie finanzieren sich Betroffene dann ihren Unterhalt?

Es gibt ein Sondergesetz, das seit dem ersten März gültig ist und das reduzierte Leistungen im Vergleich zum ALG II gewährt.

Wie sieht es mit der Gesundheitsversorgung aus?

Hier zeigen sich besondere Einschränkungen: Oft dauert es, bis eine Krankenkassenkarte ausgehändigt wird. Geflüchtete sind oft lange medizinisch nicht vernünftig versorgt worden. Erkrankungen und Traumata müssten hier unbürokratisch und schnell behandelt werden. Längst nicht alle Behandlungen werden bezahlt.

Mit welchen Reaktionen werden Betroffene in der Öffentlichkeit konfrontiert?

Vielfach macht gerade auch der Staat Menschen das Leben hier durch systematische Ausgrenzung und Perspektivlosigkeit schwer. Eine Willkommenskultur sieht anders aus.

Wie äußert sich das genau?

Oft werden Flüchtlinge in verheerende Klassen eingeteilt: Die „Guten“, die aus Krisenherden wie der Ukraine, Syrien und Irak kommen – Länder, in denen man wegen der prekären Sicherheitslage anerkanntermaßen nicht mehr leben kann. Und die „Schlechten“, die aus dem Balkan oder Südostasien kommen und als Schmarotzer abgestempelt werden. Dabei wird oft missachtet, dass Menschen niemals zum Spaß ihr Land verlassen und dass etwa die Not der Roma aus brutaler, rassistischer Diskriminierung resultiert.

Was kann jeder Einzelne tun, um die Situation zu verbessern?

Jeder sollte sich mit den Lebensgeschichten und Erfahrungen der Menschen auseinandersetzen, ob durch persönliche Gespräche, Vorträge, Filme oder Diskussionen.  INTERVIEW: SCHM

19 Uhr, Café Kultur in der Asta-Etage, Uni Bremen, Bibliothekstraße 3

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