: Die Idee einer sittsamen Eleganz
AUSSTELLUNG Das Museum für Fotografie zeigt die Schau „Willy Maywald, Fotograf und Kosmopolit. Porträts, Mode, Reportagen“ – nicht alle Aufnahmen des großen Pariser Chronisten der 30er und 40er Jahre überzeugen
VON BRIGITTE WERNEBURG
Mehr Mut, mehr Risikofreude – und er wäre ein brillanter Modefotograf gewesen. Aber so macht einen allein der Anblick, wie seine Modelle ständig ihre Beine artig über Kreuz stellen, rasend. Warum können sie sich nicht einfach richtig hinstellen? Oder, wenn sie schon in den Straßen von Paris posieren, in Bewegung geraten? Es ist hier nicht von irgendeinem Fotografen die Rede, es geht um Willy Maywald, der von Couturiers und Modezeitschriften als verlässlicher, schnell arbeitender Profi gesucht war. Neben Regina Relang brachte vor allem er die Bilder von der Pariser Haute Couture nach Deutschland. Vor dem Zweiten Weltkrieg, besonders aber danach.
Das Porträt von Nico, das auf dem Ausstellungsplakat und dem Katalog zu sehen ist, ist freilich wunderbar. Wenn auch ihre verstrubbelte Lebendigkeit ersichtlich dem Zufall geschuldet ist. Solch ganz großartigen Bilder gelingen Maywald immer wieder. Vor allem als Zeitzeuge. Da ist er eine wirkliche Entdeckung. Ja, es lohnt sich, seine Retrospektive im Fotomuseum zu besuchen. Maywald ist neugierig und hellwach, sensibel für die Poesie des Alltags und reaktionsschnell, was die neuesten Strömungen in Kunst und Kultur betrifft. Kontaktfreudig, stehen ihm die Türen offen, etwa beim Coiffeur Antoine, der Salons in Paris, New York, Tokio, Melbourne und Vancouver unterhält. In Maywalds Aufnahmen seines Pariser Apartments begegnet man der Quintessenz des modernen Lebensstils, der selbst heute noch, in postmoderne Umständen, gültig ist.
Die Fotos entstanden 1938, da lebte Willy Maywald schon sieben Jahre an der Seine. 1907 als Sohn einer Hoteliersfamilie im nordrhein-westfälischen Kleve geboren, beförderte das herrschaftliche Ambiente des elterlichen Grand Hotels sein Talent für Gastfreundschaft, Eleganz und Geistesgegenwart. Der Besuch der Kunstgewerbeschule Köln ab 1925 machte ihn mit der Avantgarde bekannt. Drei Jahre später entdeckte er in Berlin die Subkultur der Schwulenbars und freundete sich mit Margit Himmel, Hedda Oppenheim und Regina Relang an, den Protagonistinnen einer unabhängigen, künstlerisch ausgebildeten Frauengeneration. Berlin wurde dennoch nicht sein prägendes Großstadterlebnis, sondern Paris, wohin er 1931 übersiedelte. Hier begann er, sich mit Fotografie zu beschäftigen, und arbeitete bald für Harry Meerson, einen Kameramann der UFA, der in Paris eines der führenden Studios für Mode-, Gesellschafts- und Werbefotografie aufbaute.
Das Paris, das die Ausstellung unter dem Titel „Im Glanz der Metropole“ zeigt, ist freilich gar kein mondänes, sondern ein ländliches Paris, wo der Fotograf in den Straßen Ziegen und Kinder, die sie streicheln, entdeckt. 1937 verheißt die Weltausstellung der Stadt Modernisierung und Technisierung, deren bedrohliche Seite Maywald in den Fokus nimmt, wenn er den deutschen und den sowjetischen Pavillon fotografiert. Längst ist Paris die Hauptstadt der Exilierten, und die Tänzerin Tatjana Barbakoff genauso wie Valeska Gert werden viel fotografierte Freundinnen Maywalds. Die Pariser Kaffeehaus-Aufnahmen scheinen sich dann nahtlos in den Bildern aus Cagnes-sur-Mer fortzusetzen, in denen er seine geschäftigen Künstlerfreunde porträtiert. Tatsächlich sind sie rastlos, alle auf der Flucht, alle bangen sie um ein Visum in die USA. Das sonnige Südfrankreichbild muss, so sagt die Kunsthistorikerin Katharina Sykora, die das Grundkonzept der Ausstellung verantwortet, als Akt des Widerstands gelesen werden.
1942 flieht Maywald in die Schweiz. Auch hier gelingt es ihm, in Künstlerkreisen Aufnahme und Aufnahmen zu finden. Doch gleich nach Kriegsende geht er 1946 nach Paris zurück. Zielstrebig knüpft er Kontakt zu Christian Dior. Sein Erfolg ist nicht mehr aufzuhalten. Zwei Auftraggeber haben Fotografen zu dieser Zeit: die Modehäuser selbst und die – von heute aus gesehen – wenigen Modezeitschriften.
Diors Modestil und Maywalds Ästhetik harmonisieren auffällig. Katharina Sykora spricht von Passförmigkeit. Es ist wohl die gleiche Idee von sittsamer Eleganz, verkörpert im gezierten Schritt der Modelle. Richtig interessant wird das nie. Aber durchweg professionell, Maywald arbeitet schnell, er setzt das Licht richtig und bedient sich der richtigen Requisiten und der richtigen Umgebung, die dann – dank Plakatwerbung und Autokühlergrill – seinen Aufnahmen schon mal den nötigen Pep gibt.
Dazwischen entsteht Ende der 1940er Jahre aber auch die großartige Serie von den Pariser Conciergen, die Aufnahme des Blumenhändlers und des alten Paars im wenig modischen Straßencafé; und da gelingt es ihm unversehens ganz unverstellt, nah am Leben zu sein.
■ Bis 2. 8., Museum für Fotografie, Jebensstr. 2, Di., Mi., Fr. 10–18 Uhr, Do. 10–20 Uhr, Sa., So. 11–18 Uhr, Katalog (Kerber Verlag) 48 Euro
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen