: Kämpfernatur mit Naschzeug
TENNIS Die Russin Maria Scharapowa, Nr. 2 der Weltrangliste, ist eine leidenschaftliche Sportlerin und kühle Analytikerin, ein Liebling der Sponsoren. Beim Turnier in Stuttgart tritt sie als Titelverteidigerin an
STUTTGART taz | Maria Scharapowa erinnert sich noch ganz genau an dieses nervenzehrende, turbulente Finale des letzten Jahres in der Stuttgarter Arena unten auf dem Centre Court, im Duell mit Ana Ivanovic. „Es war eins der besten Spiele meines Lebens“, sagt Scharapowa, „und eins, das ich auf keinen Fall verlieren wollte. Niemals.“
Am Ende dieses erinnerungswürdigen Tennis-Sonntags stand tatsächlich der dritte Pokalcoup in Folge für eine Frau, die für eine extrem mentale Stärke auf den Tennisplätzen dieser Welt steht. Große Siege in langen Zermürbungsduellen hat sie bereits gefeiert. „Eiserne Maria“ wird Scharapowa auch genannt. Wer Anschauungsmaterial braucht, warum man ihr diesen adelnden Beinamen gegeben hat, der muss sich einfach noch einmal den 3:6-6:4-6:1-Erfolg gegen Ivanovic anschauen. Und miterleben, was diese außergewöhnliche Protagonistin selbst noch von vielen anderen Weltklassespielerinnen unterscheidet. „Viele würden gern eine so starke Persönlichkeit wie Maria sein“, sagt die ehemalige Nummer eins, Lindsay Davenport, „aber bestimmte Fähigkeiten, die sie hat, kann man nicht erlernen. Viele Fähigkeiten hat man einfach. Das ist ein Gottesgeschenk.“
Scharapowa, die Nummer 2 der Weltrangliste, die im Achtelfinale in Stuttgart am Donnerstag auf die Deutsche Angelique Kerber treffen könnte, ist eine beispiellose professionelle Erscheinung in einer Branche, in der sich manche aufführen, als wäre das alles ein Kuschelzoo. Ehrlicher und ungeschminkter als die 28-jährige Russin betrachtet aber niemand die Szene: „Nur weil wir zusammen Tennis spielen, heißt das nicht, dass wir auch die besten Freundinnen sind“, sagt sie, „ich mache meine Arbeit und gehe dann wieder nach Hause. Warum soll ich in einer Player Lounge Smalltalk betreiben. Da bin ich lieber mit meinem Freund oder meiner Familie zusammen.“ Was dann auch zu dem Anspruch der Perfektionistin passt, „jede Sekunde, jede Stunde, jeden Tag so gut auszunutzen wie nur irgend möglich“. Sie sagt: „Ich will immer etwas tun, was Spaß und Sinn macht. Oder was mich herausfordert.“
Im Grundsatz gibt es für diese leidenschaftliche und kühle Wettkämpferin keine Tage, die nicht per se ihre Tage sind. Scharapowa erlaubt sich keine Gefühligkeit. Sie ist die selbstbestimmteste Athletin in diesem Geschäft. Und sie ist auch die ausdrucksstärkste aller Kämpfernaturen, ein idealtypisches Modell jener Geisteshaltung, die in keiner noch so schwierigen und anspruchsvollen Tennis-Lebenslage eine Kapitulation erlaubt. „Sie ist wie eine Katze mit neun Leben“, sagt Nick Bollettieri. Wer, wenn nicht er, könnte dies am besten bezeugen. Schließlich nahm die Karriere Scharapowas vor ungefähr 20 Jahren ihren Anfang in Bollettieris Akademie in Bradenton – damals standen Maria und ihr Vater Juri vor den Toren der berüchtigten Drillstätte, nichts als ein paar hundert Dollar und eine vage Hoffnung auf eine große Laufbahn im Gepäck.
Aus dem siebenjährigen Mädchen wurde eine der prägendsten Figuren des modernen Tennis, der gegenwärtig einzige Weltstar neben Serena Williams, eine Siegerin bei allen vier Grand-Slam-Turnieren. Und auch die bestverdienende Sportlerin des Planeten, ein Liebling der Sponsoren, die ihre werbliche Strahlkraft schätzen. Als einzige globale Markenbotschafterin spielt die Frau mit sibirischen Wurzeln in ihren kommerziellen Partnerschaften längst auch eine aktive Rolle – mit dem Design von Luxus-Accessoires oder Kollektionen oder dem Entwurf von Süßigkeiten für ihre Marke Sugarpova. Auf den Dreh mit dem Naschzeug war sie in einer längeren Verletzungspause gekommen: „Das war meine ureigenste Idee und auch ein Geheimnis“, sagt sie, „das habe ich als fertigen Plan auf den Tisch gelegt. Da bin ich heute noch stolz drauf.“ Inzwischen werden die Sugarpova-Produkte in über 30 Ländern und bei allen größeren Turnieren verkauft. JÖRG ALLMEROTH
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