piwik no script img

Zu viele Tonnen nur halb voll

BIOMÜLL Die Menge an Berliner Biomüll steigt. Doch es ist immer noch viel zu wenig, um eine zweite Vergärungsanlage zu bauen. Dabei darf viel mehr Abfall, als man denkt, in die Biotonne. Doch es mangelt an Aufklärung

Ab in die Biotonne

Das darf alles in die Biotonne:

■ Schalen und Reste von Obst und Gemüse, auch von Zitrusfrüchten

■ Kaffeesatz samt Filter

■ Tee, Teebeutel und Eierschalen

■ Essensreste, auch Gekochtes

■ Alte Lebensmittel ohne Verpackung

■ Gartenabfälle, auch Rasenschnitt

■ Grün- und Strauchschnitt

■ Blumen und Laub

VON JANA TASHINA WÖRRLE

Der typische Berliner Müllsammelplatz liegt im Hinterhof. Dort steht Tonne an Tonne, mit orangen, blauen, grauen und braunen Deckeln. Bei uns im Hof quillt die blaue Tonne immer über, denn Papier und Pappe sammeln meine Nachbarn reichlich und wollen es loswerden. Auch die Tonne für den Verpackungsmüll ist schnell voll.

Die braune Biotonne habe ich dagegen noch nie überfüllt gesehen. Das mag auch daran liegen, dass wir alle hier im Haus nur einen kleinen Balkon haben und keinen Garten, in dem Gestrüpp und Rasenreste anfallen. Obst- und Gemüsereste müssten das dagegen schon – schließlich kaufte jeder Deutsche allein im vergangenen Jahr rund 155 Kilogramm Obst und Gemüse. Doch wo sind all die Überreste davon hin?

Viel mehr davon könnte in den Biotonnen landen und so der Umwelt nützen, ist sich Günter Dehoust vom Öko-Institut sicher. Auch er wohnt in einem großen Mietshaus in Berlin, hat aber nicht einmal die Möglichkeit, eine Biotonne zu füllen. Denn sein Vermieter lässt keine aufstellen, obwohl er das eigentlich müsste. Seit 1. Januar 2015 gilt die Pflicht für Städte und Kommunen, Bioabfälle getrennt zu sammeln.

Rund 70 Prozent aller Landkreise bieten laut Dehoust schon entsprechende Möglichkeiten an. Der Rest drückt sich durch Ausnahmegenehmigungen noch, denn Bioabfall getrennt zu entsorgen kostet. Zudem braucht es eine sinnvolle Verwertung der Bioreste.

Die meisten Haushalte haben eine Biotonne

Was die gesetzlichen Vorschriften betrifft und die Verwertungsmöglichkeit, ist Berlin schon gut aufgestellt. Nach Angaben der Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) haben bereits über 80 Prozent der Haushalte eine Biotonne. Doch sie werden oft nicht voll. Zwar erreichten die Berliner im vergangenen Jahr die bisher größte Menge beim Sammeln von Biomüll mit ganzen 67.000 Tonnen. Doch eigentlich wäre noch mehr drin.

Das sieht auch Sabine Thümler von der BSR so. „Etwa 85 Prozent der Berliner haben eine Biotonne auf ihrem Müllplatz, aber wenn dort 50 Haushalte angeschlossen sind, ist eine 120-Liter-Tonne nicht viel – vor allem, wenn diese in einer Woche nur halb voll wird“, sagt sie und weist darauf hin, dass ein Trennzwang keinen Sinn hätte. Sie sieht das seit Januar geltende Gesetz erfüllt, da jeder Hausbesitzer eine Tonne bestellen kann: „Die Entscheidung fällt im Haushalt, da nutzt es nichts, einfach nur Tonnen aufzustellen. Auch brauchen wir gewisse Qualitäten.“

Der Nutzen des Bioabfalls für Berlin ist dann am größten, wenn viele vergärbare Abfälle in den braunen Tonnen landen. Und dazu gehören nicht nur Obst- und Gemüsereste, sondern auch alle Küchenabfälle und Essensreste, auch Fleisch oder Reste vom Katzenfutter – gerne inklusive Küchenkrepp, mit dem es aus der Schüssel gewischt wird. Auch Zitronenschalen, die man wegen der Spritzmittel oder weil sie sehr langsam verrotten, nicht auf den Kompost dürfen, sind in der Biotonne willkommen. „Der Trick, damit es nicht stinkt, sind saugfähige Stoffe wie Küchenkrepp oder Zeitungspapier“, sagt Thümler, die vom Ekelfaktor eines müffelnden Bioeimers mit Maden drin nichts wissen will. In den Restmüll kommen schließlich dieselben Reste, aber da sauge anderer Abfall alles auf, was matscht oder tropft.

Damit sich keiner vor der vermeintlich unhygienischeren Biotonne im Hof fürchten muss, testet die BSR gerade neue Tonnen mit Fußpedal. So muss man den Tonnendeckel nicht mehr anfassen, wenn man seinen eigenen Eimer dort entleert.

Mehr vergärfähiges Material braucht die BSR auch, wenn sie die Ziele im Abfallwirtschaftsplan des Senats erfüllen will. Denn der Senat hat eine zweite Vergärungsanlage und damit eine eigene größere Gasproduktion in Aussicht gestellt, wenn die Berliner 100.000 Tonnen an Biomüll pro Jahr zusammenbekommen.

Zwar sammelt die BSR bereits heute rund 120.000 Tonnen Bioabfall, aus der Biotonne, den Laubsäcken, über die Recyclinghöfe, aber davon ist nicht alles für die Vergärung geeignet. „Wir brauchen nicht 100.000 Tonnen Biomüll, sondern 100.000 Tonnen gärfähiges Material“, sagt die Sprecherin des Berliner Müllunternehmens.

In die Biotonne gehören nicht nur Obst- und Gemüsereste, sondern auch alle Küchenabfälle oder Katzenfutterreste

Die Unterschiede sind nicht klein, denn einiges an Biomüll wird in der einzigen Berliner Vergärungsanlage in Ruhleben wieder heraussortiert – wie sehr grober Bioabfall aus Gärten. Riesige Siebtrommeln drehen die Bioreste so lange, bis alles, was zu groß ist, wieder herausfällt. Insgesamt mehr als 10 Prozent des gesammelten Biomülls wird so ausgeschleust. Aber auch dann landet noch Material in der Anlage, das kaum Gas produziert. Im Wesentlichen sind das die Gartenabfälle, die in Außenbezirken bis zu 90 Prozent der Biotonne ausmachen.

Die BSR möchte aber, dass Hausbesitzer es weiter mit in die Biotonne werfen. „Wir können von den Leuten nicht fordern, dass sie den Biomüll zusätzlich in verschiedene Tonnen werfen, wenn das mit dem Trennen von Bio und Hausmüll noch nicht einmal richtig läuft“, sagt Thümler. Stattdessen überlegt die BSR nun, in Gebiete mit hohem Gartenanteil Extratouren zu fahren. Der Biomüll dieser Häuser soll dann gar nicht erst mit dem anderen der großen Wohnanlagen zusammenkommen.

Dass die Qualität des Biomülls stimmen muss, um diesen nutzen zu können, ist für Günter Dehoust ein Grund, warum eine wirkliche Trennpflicht sinnvoll wäre. Doch auch die Müllgebühren seien eine Stellschraube, an denen die Städte drehen können, wenn sie die Biomüllmengen steigern wollen: „Wenn trennen finanziell belohnt wird, dann setzt es Anreize.“

Doch Müll trennen kostet auch. Berlin hat zu Jahresbeginn eine Grundgebühr eingeführt, genannt Ökotarif. Das hat allerdings nur indirekt etwas mit dem Biomüll zu tun. Kosten, die fürs getrennte Sammeln aller verschiedenen Müllarten bisher angefallen sind, hat man der Gebühr für den Haushaltsmüll aufgeschlagen. Das rechnet die BSR nun auseinander, sodass es eine Grundgebühr für alle Ökoleistungen gibt.

Weniger Restmüll ist gut für Geldbeutel und Umwelt

Wer weniger Restmüll produziert, kann aber auch weiterhin die Gebühren niedrig halten, verspricht Thümler. Es sei eine Änderung im System, aber da die Kosten für die graue Hausmülltonne im Gegenzug gesunken seien, werde die Veränderung kaum jemand spüren. „Den größten Nutzen der Mülltrennung müssen wir aber dennoch in der Ökologie sehen“, sagt die BSR-Sprecherin.

Im Jahr 2013 haben die Berliner pro Kopf rund 30 Kilogramm Biomüll gesammelt. Günter Dehoust hat einen Leitfaden vorliegen, nachdem in großen Städten aber eigentlich bis zu 100 Kilo möglich wären. Doch dazu bräuchte man seiner Meinung nach noch mehr Aufklärung, was den Umweltschutz betrifft.

Bei der Nutzung des bisher anfallenden Biomülls ist Berlin schon fortschrittlich, denn mit dem Biogas, das in Ruhleben erzeugt wird, werden derzeit schon 150 von insgesamt 300 Müllsammelfahrzeugen der BSR betankt Diese Art der Nutzung unterstützt Dehoust, weil eigentlich ein konkretes Interesse besteht, das Ganze auszubauen – und auch der Senat hat das so als Ziel ausgegeben.

Berliner Müllstatistik

■ Zahlen für 2014 liegen noch nicht vor. 2013 fielen (die Zahlen immer pro Haushalt bezogen) 421,4 Kilogramm Hausmüll an. Biomüll kamen 32,8 Kilogramm zusammen. Wertstoffe (inklusive verwerteter Sperrmüll) sammelten sich im Schnitt 273,3 Kilogramm an – sowie 88,5 Kilo Papier und Pappe. (Quelle: BSR)

Doch ohne steigende Mengen von Bioabfall wird der nächste Schritt zur zweiten Anlage kaum gelingen. „Wenn die BSR-Fahrzeuge mit Biogas fahren, spart das Diesel und damit Erdöl. Außerdem können die Bioreste nach dem Vergären noch weiter genutzt werden“, sagt der Öko-Instituts-Mitarbeiter.

Der ökologische Vorteil liege auf der Hand. Denn der vergorene Biomüll lande als Dünger auf Feldern, enthalte eigenen Phosphor, der gebraucht wird und immer knapper wird. Durch die im Kompost enthaltene organische Substanz könne auch der Torfabbau reduziert werden. Doch auch das müsse man den Bürgern erklären, damit sie mehr Bioabfall getrennt wegwerfen. „Das könnten die Städte und Kommunen auch selbst übernehmen. Doch in Berlin habe ich das noch nicht erlebt“, kritisiert Dehoust.

Was darf denn rein? Mehr Aufklärung tut not

Die BSR hat zwar extra eine Kampagne gestartet, die die Bürger zur Biomüllsammlung anregen soll. Doch Sabine Thümler sieht auch, dass die Zusammenarbeit mit den großen Wohnungsbaugesellschaften verstärkt werden müsse: „Nur gemeinsam wird es uns gelingen, die Mieter besser aufzuklären, was reindarf und reinsollte in die braune Tonne.“

Fleischreste im Bioeimer zum Beispiel stinken nicht, wenn man Papier dazupackt – zumindest in der Küche. Was auf dem Hof passiert, wenn im Sommer die Sonne auf den Deckeln brutzelt, vermag man sich jetzt noch nicht vorzustellen. Immerhin wird die Biotonne von der BSR nur einmal die Woche geleert und nicht wie der Hausmüll zweimal. Aber auch das könnte sich ja ändern, wenn die Tonne öfters voll ist.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen