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Mit Wolfsgeheul auf die Kunst

MISCHMASCH Das Berlin Soup Festival im WestGermany für allerlei Experimentelles kann eine durchaus verwirrende – oder halt auch verworrene – Angelegenheit sein

Es ist kurz vor Mitternacht und das Publikum stimmt ein Wolfsgeheul an. Anerkennung für die Videoarbeit „Howling like Virginia Woolf“ des Kuratorenduos Lennox Raphael und Jesper Dalmose, die zum dritten Mal das Berlin Soup Festival veranstalten. Nach Kopenhagen findet es seit Donnerstag diesmal wieder in Berlin statt. Noch bis Sonntag gibt es dabei im West Germany und nebenan unter den Gleisen am Kottbusser Tor visuelle Kunst, experimentelle Musik, Filme und Workshops zu erleben.

Es ist ein Festival mit Do-it-yourself-Atmosphäre: Der Programmablauf für den Donnerstag ist etwas unleserlich auf ein großes Blatt gekritzelt, die Kunst ist schlecht ausgeleuchtet, scheint irgendwo hingehängt, mal gibt es QR-Codes, Künstlernamen und Werktitel, mal sucht man sie vergeblich. Alles wirkt improvisiert.

Das mag, wie es Kurator Raphael geheimnisvoll ausdrückt, an der „gesteuerten Spontaneität“ des Programms liegen. Denn wann genau etwa die Verkäufer der Obdachlosenzeitung Straßenfeger ihre angekündigte Performance am Kotti abhalten, will er nicht verraten.

Der Poet und Stückeschreiber hat einen eigenen Sinn für Humor, der auch in seiner Woolf-Hommage zum Ausdruck kommt. Zunächst meint man, der Text, der im sakral hallenden Voice-Over zu „Howling like Virginia Woolf“ ertönt, sei von der Schriftstellerin. Eine Reflexion über Autor_innnenschaft, die Liebe zur Lektüre und das Verzweifeln an beidem. Doch dann vergleicht sich der Sprecher mit Woolf. Wie sie ist er auf der Suche nach dem befreienden Schreiben. In weißem Sakko und Fliege sieht man Raphael samt gelber Schreibmaschine an einem Strand im Wind, schließlich im Meer, vergeblich versucht er das Papier in der Maschine zu fixieren. Werke Woolfs wie „To the Lighthouse“ werden referiert, dann wieder ihre Biografie, als Raphael am Ende nicht wie Woolf ins Wasser geht, sondern aus den Wellen heraussteigt.

Eine ästhetisch anziehende Inszenierung, die neben andere Highlights tritt, die man im Dickicht aus kitschigen Werken und trashiger Raumatmosphäre allerdings erst mal finden muss. Denn was zum WestGermany gehört und was zur Ausstellung, bleibt oft rätselhaft. Gewollte Irritationen. Das dinosaurierskelettartige Kabelwesen auf der Mauer des Balkons, auf dem sich im Dunkeln alle drängeln, ist dann aber doch von einem Christian Noah Møller. Oder fast. Denn er, sagt Møller, habe einen Freund gebeten, es aus Kabelmaterialien zu bauen. Das Tierchen passt zu seinen Bonsai-Gerippen aus Metall, die er im WestGermany verteilt hat. Eines wirft seine Schatten auf eine schwarz-weiße Waldprojektion, die an Edward mit den Scherenhänden erinnert. Lynda Edwins Transparentpapierbilder wiederum verschwinden fast an der Decke. Fahrig aus Tipp-Ex und Bleistift gezeichnete Figuren fliegen in „Extension Centrifuge“ im Kreis, im Video darunter dreht ein Strichmännchen die dünnen Ärmchen hektisch um eine Kurbel: „Inner Quest“ steht da, innere Suche.

Auf die sollte man sich auch besinnen, um im Mischmaschrausch des Festivals nicht unterzugehen und ausfindig zu machen, was einen anspricht. Ein euphorisches Heulsignal nach erfolgreicher Suche stört hier sicher keinen. NOEMI MOLITOR

■ Berlin Soup Festival bis Sonntag im WestGermany, Skalitzer Str. 133. www.berlinsoup.org

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