piwik no script img

Qualitätstourismus ist eine Kampfansage

Wer dem massentouristischen Wachstum und dem exzessiven Bauboom der Sechziger-, Siebzigerjahre an den Sonnenstränden dieser Welt mit zukunftsweisenden Konzepten begegnen wollte, versucht es seither mit „Qualitätstourismus“. Als da sind: landestypische Bauweise und ansprechende Ferienresorts statt gesichtsloser Urlaubersilos; hochpreisige Angebote im Wellness-, Sport- und Kulturbereich statt Saufexzesse begünstigender Billigangebote. Qualitätstourismus gilt als Universalrezept für die Modernisierung eines obsolet gewordenen Ferienmodells der reinen Masse. Aber „Qualitätstourismus“ ist auch ein Kampfbegriff. Er denunziert die urlaubenden Billigheimer als auf Kultur und Natur der Gastländer herumtrampelnde Ignoranten.

Qualität will mehr. Da sind sich alle einig: Modernisierer und Tourismuskritiker, sanfte Touristiker und Umweltschützer. Doch der inflationäre Gebrauch des Qualitätsbegriffs im Tourismus verdeckt nur, dass damit ganz unterschiedliche Interessen gemeint sind. Qualität kann vieles heißen. Unter den Vorzeichen einer nachhaltigen Entwicklung etwa bedeutet Qualitätstourismus, die natürlichen Ressourcen zu schonen, den Anstoß zu einer Entwicklung zu geben, von der alle profitieren, Gastgeber wie Touristen. Er bedeutet Naturschutz und schöne Landschaft.

Unter der beispielhaften mallorquinischen Qualitätswende von der Putzfraueninsel zum Promiziel entstanden attraktive Jachthäfen, ewig durstige Golfplätze, Luxusresorts und raumgreifende, noble Villen zur reinen Erholung. Mallorca schuf unter der Marke „Qualitätstourismus“ die Hardware für Reiche und ihre Bedürfnisse nach einem demonstrativen Konsum. Ein Reichenmodell wie aus Zeiten der Klassengesellschaft. Es nimmt keine Rücksicht auf die schwindenden Ressourcen. Allein ein Golfplatz verbraucht so viel Wasser wie ein Ort mit achttausend Einwohnern. Und die privaten Besitzverhältnisse verschließen der Öffentlichkeit den Zugang zu vielen beliebten Stränden, sie heizen den unkontrollierten Bauboom weiter an. Mit diesem Qualitätstourismus hat sich die luxuriöse Besetzung von Raum für den egoistischen Nutzen durchgesetzt.

Längst schließt dieses Verständnis von Qualität sanfttouristische und ökologische Ziele aus. Das Qualitätsverständnis der erfolgreichen Modernisierer richtet sich nicht nur gegen die Billigheimer dieser Welt oder gegen alternative Modelle, es hat auch ein anderes Verständnis, das nicht konventionellen Luxus bedeutet, hervorgebracht. Wo es ihm nützt, hat es die Ökologie vereinnahmt. Frei nach dem Motto: Kann die ökologisch einwandfreie, solarbestückte Finca Sünde sein? Ökologisches Denken gehört vielerorts zum avantgardistischen Lifestyle. Aber mehr ist es nicht. Der Gemeinnutz in der Nachhaltigkeitsdiskussion spielt dabei keine Rolle.

Der Standard könnte hoch und dennoch in einem verträglichen, nicht ressourcenverschlingende Rahmen gestaltet werden. Dafür müsste die Diskussion jedoch neu geführt werden unter den Vorzeichen: Welche Ziele wollen wir? Was heißt heute Luxus? Taugt der von gestern wirklich für morgen?

CHRISTEL BURGHOFF, EDITH KRESTA

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen