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Besser als beim Barbar von Sevilla

Natalie Tenbergs Gastro- und Gesellschaftskritik: Das spanische Restaurant Mar y Sol liegt in Berlins drittbester Touristennepplage

Die Strände Spaniens sind im Sommer voll mit Deutschen, die in das Land kommen, um sich ein wenig mediterrane oder atlantische Sonne auf den Latz scheinen zu lassen. Denkt man noch an all die Golfer, Städtetouristen und die neuerdings steigende Zahl von Pilgern, dann müsste Deutschland voll mit Leuten sein, die beim spanischen Essen auch im tiefsten Winter fröhlich an ihren Urlaub denken. Tatsächlich aber sind die Erinnerungen an die spanische Küche oft trist. In Touristenzentren wie Sevilla sind die Wirte sehr darum bemüht, dass niemand zufrieden nach Hause geht. Mit dem folgerichtigen Ergebnis, dass deutsche Touristen spanische Restaurants in Spanien meiden.

Ist das für spanische Gastronomen in Deutschland ein Problem? Nein, es kann ein Vorteil sein. Man wird nicht nur glauben, genauso gut wie im Urlaub gegessen zu haben. Nein, man wird glauben, dass es viel besser war, als bei diesem kleinen, unverschämten Betrüger an der Calle de Adriano.

In Berlins drittbester Touristennepplage, am Savignyplatz also, findet man das spanische Restaurant Mar y Sol. Die Einrichtung erinnert stark an andalusische Restaurants, die authentisch wirken sollen und deswegen ihre Räume mit den Nippes vom Wochenmarkt dekorieren. Die Wände sind weiß getüncht und mit Kacheln verziert, kleine Tonkrüge stehen im Regal, Kerzen stecken in schweren eisernen Kronleuchtern, man sitzt auf dunklen Stühlen an rustikalen Tischen. Es ist warm. Herrlich.

Der Wein wird gebracht, das Wasser auch. Kurz darauf folgen die ersten Tapas. Huhn mit Honigsauce, Kichererbsen mit Möhren in Mandelsauce, Kartoffelwürfel und kleine gebackene grüne Paprikaschoten. Besonders raffiniert sind diese Kleinigkeiten nicht, in ihrer Einfachheit jedoch sehr überzeugend. So überzeugend, dass man sich über den Fehler ärgert, der einem ja eigentlich nicht mehr unterlaufen sollte: Das Hauptgericht ist schon bestellt. So entgehen einem die schönen anderen Tapas, die gebackenen Sardellen, der Schinken, die Tortilla. Stattdessen stellt sich beim Doradenfilet urplötzlich ein starkes Sättigungsgefühl ein. Das Entrecote mit Lauchgemüse und Sellerie-Kartoffel-Püree ist gelungen, doch leider ist die Sauce dazu braun und undurchsichtig, als wurde dem Ganzen künstlich nachgeholfen.

Nein, man sollte sich für den nächsten Besuch im Mar y Sol einen Knoten in die Serviette machen. Beim nächsten Mal gibt es nur Tapas, dafür aber viele verschiedene. So bleiben die Erinnerungen fröhlich.

RESTAURANT MAR Y SOL, Savignyplatz 5, 10623 Berlin-Charlottenburg, (0 30) 313 25 93, Mo–So 11–1 Uhr, S Savignyplatz, Tapas ab 1,90 €, Hauptgerichte ab 13,90 €, Cola 2,10 €, Bier ab 2,80 €

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