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Freundschaftsdienste an der Leuphana

Der Vizepräsident der Universität Lüneburg fällt durch geschäftliche Überschneidungen auf: Der jüngst für einen Unibau gewonnene Architekt Libeskind ist auch für seine Firma tätig. Das Wissenschaftsministerium findet das unproblematisch

SO IST LEUPHANA

Die Universität Lüneburg ist seit 2005 Modelluniversität für die Umsetzung der Bologna-Richtlinien. 2006 wurde eine grundsätzliche Neuorientierung beschlossen; die Werbeagentur Scholz & Friends schlug die Umbenennung in Leuphana Universität vor. 2007 wurden alle Bachelor-Studiengänge in einem so genannten „College“ zusammengefasst; Master- und Doktorandenprogramme werden ab diesem Jahr in einem Graduiertenkolleg laufen. Kritiker werfen der Leuphana vor, bloßer Marktideologie zu folgen.  TAZ

VON VEIT HÖFFNER

Sie hat so einiges hinter sich, die Universität Lüneburg, die sich jetzt „Leuphana“ nennt: Eine Fusion mit der örtlichen Fachhochschule, die Umstellung auf Bachelor- und Masterabschlüsse, die Einführung von Studiengebühren. Und sie hat noch etwas vor sich: Im Zuge der Neuausrichtung soll ein Audimax mit 1.200 Plätzen errichtet werden, entworfen von dem amerikanischen Stararchitekten Daniel Libeskind. Zum Dank für seinen Entwurf wurde er flugs zum nebenberuflichen Professor: Es tut sich was in der Heidestadt.

Motor dieser manchem Kleinstädter verdächtig erscheinenden Entwicklung, sind zwei Männer von außerhalb, echte Freunde, wie sie der Öffentlichkeit gern versichern: Da ist zum einen Unipräsident Sascha Spoun, 38 Jahre alt, zuletzt tätig an der Hochschule St. Gallen. Professor wurde er dort, darf seinen akademischen Titel aber nur mit einem Zusatz tragen, wie ihm die Staatsanwaltschaft Lüneburg jüngst beschied. Ein Unbekannter hatte den Präsidenten angezeigt, der kein echter, sondern eben nur Gastprofessor in St. Gallen ist.

Nicht so schlimm, der kleine Kratzer, möchte man meinen, jedenfalls im Vergleich zu seinem Stellvertreter: Spoun zur Seite steht der 40-jährige Holm Keller, Univizepräsident und mit Sicherheit kein Professor, dafür von Haus aus geschäftstüchtig. Jahrelang wirkte Keller für die Unternehmensberatung McKinsey und den Bertelsmann-Konzern, dann wurde er im Jahr 2006 in Lüneburg Stellvertreter des Unipräsidenten und damit Beamter auf Zeit. „Ich bin hier, um meinem Freund Sascha Spoun bei seiner Aufgabe zu helfen“, ließ Keller die Presse wissen.

Die Gepflogenheiten des Beamtenstandes scheinen Keller aber fremd, schließlich geriet er jetzt durch ein Geschäftsgebaren in ein Zwielicht, das die örtliche Presse nicht eben alltäglich fand: Neben seinem aufwändigen Engagement bei Leuphana gründete Keller als Geschäftsführer zwei Gesellschaften, von denen eine Fertighäuser unters Volk bringt: Die Proportion GmbH in Berlin bietet Eigenheime an, entworfen von Daniel Libeskind, verkauft von Holm Keller. Eine verzinkte Fassade haben diese modernen Immobilien, hergestellt von der Firma „Rheinzink“ in Düsseldorf, die ihrerseits auch die Zinkfassade des Audimax in Lüneburg liefert und den Bau des Audimax obendrein sponsern soll.

Die Liaison der Firmen Proportion und Rheinzink verwirrte und empörte einige Lüneburger Bürger und Studenten, die sich des Verdachts nicht erwehren konnten, dass der mit Steuergeldern geförderte Prachtbau Audimax auch dazu gut sein sollte, dem Univize privat die Taschen zu füllen. Das Audimax als Musterhaus für die Bauten der Proportion GmbH und umgekehrt? Die Firma diene einem gutem Zweck, ließ der Vizepräsident eilig wissen: „Wir wollen damit Arbeitsplätze in Sachsen-Anhalt schaffen.“

Das Arbeitsplatzargument beruhigte die Lüneburger Lokalpresse nicht, schließlich erlegt das Beamtenrecht den Staatsdienern Zurückhaltung bei privaten Geschäften auf. Der Beamte schuldet seine ganze Arbeitskraft dem Staat, Nebentätigkeiten dürfen ein Fünftel seiner regulären Arbeitszeiten nicht überschreiten. Dienst- und Privatgeschäfte sollen sich obendrein nicht überschneiden – so steht es im Niedersächsischen Beamtengesetz.

In Hannover sieht man den Fall gelassen: „Das Unternehmen ist von Herrn Keller gegründet, macht aber keinen Gewinn“, ließ Staatsekretär Josef Lange aus dem Ministerium für Wissenschaft und Kultur die Presse bei einem Kurzbesuch in Lüneburg wissen. Noch nicht, muss man wohl hinzusetzen, denn wozu sonst soll es wohl gegründet worden sein? Dass es mit dem Zusatz „gemeinnützig“ versehen ist, geht aus dem Handelsregistereintrag jedenfalls nicht hervor.

Ob Herr Keller wirklich nicht mehr mitmischt, wenn der Rubel irgendwann rollen sollte? „Wie man in dieser Situation eine Vorteilsannahme durch Herrn Keller unterstellen kann, ist mir schleierhaft“, führte der Staatssekretär fort. Ein möglicher Verstoß gegen Beamtenrecht wurde gar nicht thematisiert, schließlich hat Keller sich die Tätigkeit für die Fertighausfirma vom Stiftungsrat der Uni genehmigen lassen: „Für das Ministerium gibt es keinen Anlass einzuschreiten.“

Der Bau des Audimax steht außer Frage: „Die europaweite Ausschreibung der architektonischen Leistungen läuft.“ Wer die Folgekosten des auf 60 Millionen Euro Baukosten geschätzten Objekts tragen wird, bleibt vorerst offen: „Ohne eine fortgeschrittene Planung werden wir diese Fragen nicht klären können.“

Vor Ort glauben derweil noch immer viele, dass sie den Prestigebau nicht brauchen, stattdessen fehle es an Lehrkräften und Lehrmaterial: Erst vor ein paar Monaten griffen die Studenten der Leuphana zur Selbsthilfe. Mit kreativen Aktionen baten sie in den Lüneburger Fußgängerzonen um Bücherspenden für ihre Bibliothek: „Unsere Sorgen vor Ort hat der Auftritt des Staatssekretärs nicht gemindert“, kommentierte AStA-Sprecher Björn Glüsen den Besuch aus Hannover.

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