: Narren feiern Gedenken an Nazi-Opfer
Für den Münchner Faschingsumzug haben sich die Narren ausgerechnet den Holocaust-Gedenktag ausgesucht. Das fiel zuerst niemandem auf. Und Oberbürgermeister Christian Ude will weiter daran teilnehmen. Der Zentralrat der Juden protestiert
VON PHILIPP GESSLER
„Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen.“ Mit diesen Worten erklärte Bundespräsident Roman Herzog vor zwölf Jahren offiziell den 27. Januar zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Die Begründung dafür lieferte das damalige deutsche Staatsoberhaupt gleich mit, veröffentlicht 1996 im Bundesgesetzblatt: „Es ist wichtig, nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt. Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken.“
Die Münchner haben nun eine eigene Form gefunden, ihre „Trauer über Leid und Verlust“ auszudrücken: Am 27. Januar werden etwa 1.000 Närrinnen und Narren und voraussichtlich etwa 30.000 Zuschauer in einem Faschingsumzug durch die Straßen der Landeshauptstadt ziehen – und sie erhoffen sich neben gutem Wetter auch viel Spaß an der Freud. Der Zentralrat der Juden in Deutschland dagegen hat gegen den Münchner Narrenzug protestiert: „Die Veranstaltung eines Faschingsumzugs am internationalen Holocaust-Gedenktag in München beleidigt die Opfer, derer an diesem Tag gedacht werden soll, und wirft ein fragwürdiges Bild auf die Erinnerungskultur in unserer Gesellschaft“, erklärte der Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Salomon Korn.
Dieter Graumann, ebenfalls Vizepräsident des Zentralrats, machte die Angelegenheit zugleich zu einem politischen Skandal: „Der Umstand, dass die politisch Verantwortlichen und die Genehmigungsbehörden offensichtlich gedankenlos ihr Einverständnis mit der Terminplanung signalisierten, ist geschmacklos und führt den Holocaust-Gedenktag ad absurdum.“ Die Zentralratspräsidentin und Münchner Gemeindevorsitzende Charlotte Knobloch unterstrich: „Mir ist es unverständlich, dass man einen Gedenktag, den Nichtjuden eingerichtet haben, um sich mit Juden gemeinsam an die furchtbaren Ereignisse des Holocausts zu erinnern, jetzt als Freudentag mit Faschingsumzügen feiern will.“ Politisch brisant wird die Affäre noch dadurch, dass Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) Schirmherr des Zuges bleibt und zugleich am Zug teilnehmen will, wie sein Presseamtsleiter Stefan Hauf erklärt: „Christian Ude bleibt Schirmherr dieser Veranstaltung und wird auch mitfahren – allerdings nicht als Narr.“ Alles andere könnte als Distanzierung von dem Umzug verstanden werden. Ude hatte schon am Dienstag erklärt: „Der Gedenktag am 27. Januar ist kein Feiertag und genießt auch sonst keinerlei gesetzlichen Schutz.“ Es gebe keine gesetzliche Handhabe, diese Veranstaltung zu unterbinden. Hauf sagte, das sei anders als etwa am Karfreitag, der ein gesetzlicher Feiertag sei. Der Holocaust-Gedenktag sei „nicht so im Gedächtnis verankert“.
Auch die drei Fraktionen – SPD, CSU und „Grüne/Rosa Liste“ – im Münchner Stadtparlament seien Teilnehmer des Zuges, sagte der Sprecher der Zugorganisatoren, des Karnevalvereins „Damische Ritter“, Helmut Wollner der taz. Weder der Stadt noch irgendwelchen Behörden oder den Veranstaltern sei bei der Planung des Umzugs bis Mitte vergangener Woche aufgefallen, dass er auf den Holocaust-Gedenktag falle. Nun sei er nicht mehr verlegbar: „Eine Verschiebung wäre einer Absage gleichgekommen.“
Er verwies auf den Umzug in Regensburg, der verschoben worden sei. Dort machten jetzt von 63 Teilnehmern nur noch 18 mit. Außerdem habe man in München nun die Route des Umzugs geändert, um nicht am Platz der Opfer des Nationalsozialismus vorbeizuziehen. Stattdessen wollen die „Damischen Ritter“ mit CSU-Vertretern morgen an diesem Platz der Getöteten gedenken, sagte Wollner. Er verwies zudem darauf, dass der Bundespräsident damals gesagt habe, man solle diesen Gedenktag „im Herzen feiern“. Der Tag erinnere ja an die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz am 27. Januar 1945. Und da sei es an diesem Tag gar nicht so verkehrt, „dass man froh ist und ein bisschen feiert“.
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