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BERLINER PLATTENVorsichtige Modernisierer in eigener Sache: Spielmann Lüül schunkelt dafür gern ostwärts, während sich Hell auf dem Tanzboden immer noch ans sonnige Italien hält

Der eine ist demonstrativer Münchner, lebt aber seit einem Jahr in Berlin. Der andere ist gebürtiger Berliner und wohnte jahrzehntelang tapfer in Moabit. Der eine ist DJ, der einer ganzen Generation koksschnupfender Schnösel den Soundtrack auflegte. Der andere ein Gitarrist, der jahrelang mit der heroinsüchtigen Nico durch die Lande zog. Der eine verkörpert urbanes Nachtleben und besinnungslosen Glamour, der andere repräsentiert eine eher verkopfte Tradition von Krautrock bis Balkan-Pop. Nein, DJ Hell und Lüül haben nicht wirklich viel miteinander gemein. Aber Gegensätze ziehen sich an, und wie in einem schönen Buddy-Movie lassen sich noch die widersprüchlichsten Charaktere auf ein paar kleine Gemeinsamkeiten festnageln. Die Erste, Elementarste ist: Beide wollen ihr Publikum zum Tanzen bringen. Der eine vor allem, der andere allerdings nur nebenbei.

Auch die Mittel, dies zu erreichen, sind denkbar verschieden. Lüül alias Lutz Ulbrich bedient sich auf seinem neuen Album „Spielmann“ dabei bei den Erfahrungen, die er als Gründungs- und Immernoch-Mitglied der 17 Hippies gewonnen hat. Gleich der Eröffnungssong „Verrückte Frauen“ oder auch die humorige Abstinenzlerhymne „Ja, die Drogen“ schunkeln fröhlich osteuropäisch daher. Zu „Ohrensausen“ kann man die Liebste eng umschlungen über den Tanzboden schieben, und „Die Fremdgängerin“ zitiert verhalten einen Square Dance. Das alles ist schwer sympathisch, durchaus geschmackvoll, von nur wenigen peinlichen Aussetzern durchsetzt, aber ein begnadeter Lyriker wird Ulbrich in diesem Leben leider nicht mehr.

Mit so etwas muss sich Helmut Geier erst gar nicht herumschlagen. Auf DJ Hells neuer Mix-CD „Ellboy“ sind Texte, wenn überhaupt vorhanden, bestenfalls Vehikel für soulige Stimmen, am liebsten weiblichen Geschlechts. Vor allem aber frönt Hell seinem größten Einfluss, der klassischen Italo Disco aus den Achtzigern. Fast scheint es, als wollte er ausdrücklich die Wurzeln der Musik vorführen, die er auf seinem Gigolo-Label all die Jahre veröffentlicht hat. Donna Summer darf wieder mal die Liebe fühlen und zwar gleich mehr als acht Minuten lang im Patrick-Cowley-Remix, Gino Soccio ist vertreten und natürlich der Meister höchstselbst, Giorgio Moroder.

Zu Hause im Lehnsessel funktioniert das natürlich nur bedingt, wie der eine, immergleiche Rhythmus nur langsam moduliert wird. Nur selten lockert ein flottes Chic-Riff oder eine neue rhythmische Idee die Monotonie. Die flatternden Sequenzer sind in fast allen Tracks in einer ähnlichen Geschwindigkeit programmiert, die schwelgerische Grundstimmung zieht sich durch alle Beiträge und nahezu immer werden Handclaps eingesetzt. So kann man in den 20 Stücken vor allem studieren, wie die ewig gleiche Idee immer leicht neu nuanciert interpretiert wird. Und auch hier, in der steten Wiederkehr und vorsichtigen Modernisierung des einstmals als gut Befundenen, sind sich unsere beiden so unterschiedlichen Protagonisten dann doch gar nicht so unähnlich.

THOMAS WINKLER

DJ Hell: „Ellboy“ (International DJ Gigolo/ Rough Trade)

Lüül: „Spielmann“ (Grundsound/ Indigo)

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