piwik no script img

HOCHSCHULEN UND POLITIK SETZEN DIE EIGENEN REFORMEN NICHT UMZu dumm zum Kassieren

Ungefähr 15 Jahre hat der Kampf um Studiengebühren gedauert. Angestachelt von Klaus von Trotha und Peter Glotz, zwei solitären Spitzenleuten ihrer Parteien, rang die Gesellschaft in einer ausufernden Debatte ums Bezahlstudium: Ist es gerecht, Studenten zur Ader zu lassen? Brauchen die Hochschulen das Geld? Ist das Produkt Examen gut genug, um dafür Geld zu verlangen? Das waren die Fragen, und man muss sagen: Es waren die falschen! Drei Jahre nach der Erlaubnis, Unigebühren zu erheben, muss man vielmehr fragen: Sind Wissenschaftspolitiker und Uni-Rektoren helle genug für eine faire und effiziente Campusmaut?

Sie sind es nicht. Wissenschaftspolitik und Hochschulen sind zu doof zum Kassieren. So viel kann man nach der Trial-and-Error-Einführung der Gebühren sagen: Im Uni-Musterländle Baden-Württemberg ertrank die Politik in sich widersprechenden Gutachten, die sich unter anderem mit der Frage befassten: Dürfen Studiengebühren Gebühren heißen? In Hessen hat die Landesregierung Gebühren eingeführt, obwohl die dortige Verfassung sie explizit verbietet. Und Hamburg versucht, Härtefälle und Beststudenten wegen Zahlungsverzugs zu exmatrikulieren. Keinen Fehler hat die Politik ausgelassen. Nur um das Wichtigste kümmerte sich keiner: Den Aufbau eines vielfältigen Stipendiensystems, das den armen Studierenden hilft, den Weg zum Examen trotz der Studiengebühren zu schaffen.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Studiengebühren sind in der derzeitigen Konfiguration des Bildungswesens ein notwendiger Beitrag zur Gerechtigkeit. Denn die Hochschulen sind qua scharfer Auslese im Schulsystem vor allem für die Kinder Gebildeter und Reicher reserviert. Es tut also not, ihnen einen Beitrag zur Karrierefinanzierung abzuverlangen – wie schon Karl Marx wusste. Aber es bleibt ein Armutszeugnis für die Bildungspolitik, dass sie nicht in der Lage ist, ein geordnetes Kassenwesen für Unigebühren einzuführen. 500 Euro Gebühren pro Semester kann man Studenten zumuten – die damit einhergehende administrative Unfähigkeit nicht. CHRISTIAN FÜLLER

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen