: Jukebox
Was weiß man denn schon zum Beispiel von Albanien?
Diese ständigen politischen Neuordnungen in der Welt wollen doch auch im Privaten mit nachvollzogen werden. Wenn man nun aber eine Plattensammlung hat, die nur ein klein wenig über den Tellerrand der angloamerikanischen Popproduktion (samt den deutschen Besatzungsgebieten) hinauslappt, stellt das einen manchmal vor Probleme. Wo soll man zum Beispiel mit seiner Platte aus Armenien hin? Zu denen aus der Türkei? Das Alphabet als Ordnungssystem ist ja schon wegen der chinesischen Schriftzeichen keine Lösung.
Längst hätte auch das kleine Segment Jugoslawien staatsgrenzlich neu sortiert werden müssen. Das Kosovo-Fach ist noch leer, und nebenan von den Nachbarn in Albanien weiß man auch nicht viel. Bruchwerk: Bis 1990 gab sich das Land im Glauben offiziell atheistisch. Die Häuser in der Hauptstadt Tirana sind hübsch bunt angemalt. Auf den Videokanälen im Fernsehen werden tatsächlich auch Videoclips gezeigt. Hier Folklore. Da Popfolk. Dort nationaler/internationaler PopHipHopRock, mit besonderer Berücksichtigung Italiens. Alte Tradition. In den Plattenläden gibt es vornehmlich noch Kassetten und auch CDs. Die Musik ist klasse. Also nicht unbedingt der albanische Rock, dem einige Entwicklungsmomente in der Geschichte vielleicht doch fehlen. Was nicht unbedingt heißen muss, dass unter Enver Hoxha außer verordneter Folklore und sozialistischem Realismus gar nichts los war im Ländchen. Auch wenn Wikipedia berichtet, dass da ein Funktionär im Kulturwesen in Ungnade gefallen sein soll, „weil er leichte, dekadente westliche Musik, ähnlich den Hits des San-Remo-Festivals dieser Zeit, am Fernsehen aussendete“. Vielleicht war sie zu sehr San Remo. Weil es da Besseres gegeben haben muss, einen Pop mit der großen Geste und entlang der Gesellschaftstänze der Zeit, sogar mit daruntergemogeltem Rock ’n’ Roll, gar nicht duckmäuserisch, eher exaltiert: So jedenfalls hört sich die CD-Sammlung von Produktionen zwischen 62 und 96 vom Radio Televizioni Shqipetar an, wohl von einem Festival. „Kenget Fituese Festivaleve“.
Noch zwei „Folklore“-Tipps: Ismail Hyseni. Minimalmusik-Folk, der sich um keine Lieblichkeit schert. Zählt zum Eindringlichsten, was man vom Balkan hören kann. Müsste fürs hiesige Weltmusikfach halt etwas schicker verpackt werden. Und der Klarinettist Jakup Kalivaçi. Ein unerschütterlicher musikalischer Sog, wie man ihn zuletzt von der Third Ear Band hörte. Ganz groß. THOMAS MAUCH
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