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nebensachen aus anguillaStarkult ist nicht vorgesehen

Die Einwohner von Anguilla wollen nicht noch mehr Hotels. Derzeit machen etliche Hoteliers in der Karibik lange Gesichter. Ausbleibende Fernreisende aus Europa schlagen sich trotz der Dollarschwäche in ihren Kassen nieder. „Wir haben ein Problem“, konstatiert der Generaldirektor der Karibischen Hotelvereinigung (Caribbean Hotel Association – CHA), Alec Sanguinetti.

Von traurigen Mienen kann man bei den Verantwortlichen der Tourismusindustrie in Anguilla jedoch nicht sprechen. Das schmale Eiland „über dem Winde“ hat ein Moratorium erlassen: Vorerst werden keine Neuinvestitionen von ausländischen Hotelbetreibern mehr zugelassen. „Wir sind an den Rand unserer Kapazitäten gekommen“, sagt Trudy Nixon, die Chefin des Hotelverbands.

In der Hochsaison findet man keine Zimmer mehr auf Anguilla. Und auch in der Nebensaison melden die Hoteliers immer wieder „ausgebucht“. 80.000 Übernachtungsgäste kommen im Jahr, davon nur knapp 500 aus Deutschland. Aber wer sich am Strand von Shoal Bay bei Uncle Ernie’s zum abendlichen Drink trifft oder sich in den Luxussuiten von Cap Juluca und Malliouhana einmietet, kann gemeinhin nicht als arm bezeichnet werden. „Anguilla hat es geschafft, Urlauber anzuziehen, die nicht aufs Geld schauen“, versichert Raoul Vanterpool, ein junger Architekt.

Janet Jackson, Dustin Hoffman oder Ted Turner, aber auch Moderatoren wie Ulrich Wickert schätzen noch etwas anderes an dem Land: die Diskretion der Einwohner. „Hier wird kein Star hofiert“, sagt Vanterpool. „Und Paparazzi sind bei uns unbeliebt.“ Niemand brauche Angst zu haben, von einem Anguillaner um ein Autogramm gebeten zu werden. Und als Queen Elizbeth II. hier vor Jahren zu einem Staatsbesuch weilte, mussten eiligst Einheimische „eindringlich gebeten“ werden, doch ein Willkommensspalier zu bilden.

Attraktivität kann auch zum Fluch werden – die Begehrlichkeiten ausländischer Investoren wurden immer größer. Jahr um Jahr stapelten sich bei der Baubehörde die Anträge für Hotel- und Villenneubauten. Bauherren aus dem Ausland balgten sich um die besten Strandgrundstücke. Die sonst so höflichen und gastfreundlichen Anguillaner begannen, die Folgen von zu viel Gastfreundschaft zu spüren. 14.000 Einwohner zählt das zum britischen Commonwealth gehörende Inselchen. Plötzlich wurde auch für sie das Bauland teuer und manchmal sogar trotz guter Einkommen unerschwinglich. Und die Bauunternehmen waren auf Jahre mit Aufträgen von der Tourismusindustrie eingedeckt.

Schulabgänger werden schon in der letzten Klasse von potenziellen Arbeitgebern umworben. Während sich Hilfsmaurer in anderen Karibikländern mit manchmal gerade mal 15 Euro täglich abspeisen lassen müssen, kassiert der Kollege in Anguilla durchschnittlich das Vierfache. „Wer arbeiten möchte, findet einen gut bezahlten Job“, versichert Trudy Nixon. Selbst Gabelstaplerfahrer aus Pakistan mussten schon angeworben werden, um den Personalmangel auszugleichen. „Uns fehlen Arbeitskräfte, die Baumaschinen arbeiten rund um die Uhr, und langsam geht uns auch das Bauland aus“, sagt die Chefin der Hotelvereinigung.

HANS-ULRICH DILLMANN

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