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Alles für lau hier

Wer Umsonstökonomie betreibt, will mehr als billig leben: Es geht darum, sich von Systemzwängen zu befreien und allen die Teilnahme am „guten Leben“ zu ermöglichen

Literweise saure Sahne und Bockwürste, mehr gab der WG-Kühlschrank nicht her. Klarer Fall, hier hatte jemand den Abfall-Container des Supermarktes um die Ecke nach Essbarem durchsucht und war fündig geworden. „Containern“ heißt diese Lebensmittelbeschaffung im Szeneslang derjenigen, die versuchen möglichst unabhängig von Geld zu leben. Wie das funktionieren kann, wollen Bremer AnhängerInnen der „Umsonstökonomie“ in einer Vortragsreihe zeigen. Containern ist dabei nur eine Möglichkeit unter vielen, wie auf der Homepage des Umsonstladens K 108 in der Neustadt (bald Findorff) zu lesen ist. Dort sind Orte aufgelistet, an denen es es etwas für lau gibt – ob Bücher, Möbel oder Yogakurse.

Besonders viel gefragt ist im vor zwei Jahren gegründeten Umsonstladen K 108 Küchenzubehör, erzählt Mitinitiator Johann Bergmann. „Töpfe und Geschirr sind immer ruckzuck verschwunden.“ Weniger gut liefen Schuhe. „Da kommen immer mehr rein als Leute mitnehmen.“ Lebensmittel sucht man im Umsonstladen allerdings umsonst, genauso wie größere Gegenstände und Möbel. Dafür sei zu wenig Platz, sagt Bergmann, auch im neuen Gebäude am Weidedamm wird man darauf verzichten müssen. Dennoch können auf Nachfrage auch solche Wünsche erfüllt werden, der Email-Verteiler „Freecycle“ macht es möglich. Eine Frau sei einmal auf der Suche nach einer Lavalampe gewesen, erzählt Bergmann. „Innerhalb von zwei Wochen war sie da.“

Den Umsonstökonomisten geht es aber um mehr als darum, möglichst billig zu leben. Sie wollen damit zu einer „Befreiung von finanziellen Zwängen“ beitragen. Ihre Utopie: „Eine Gesellschaft, in der nicht mehr die kapitalistische Bewertung von Arbeitskraft über den Zugang zu Dingen und Dienstleistungen bestimmt.“ Auf dem Weg dahin liegen Widersprüche, räumt Bergmann ein. „Wir brauchen Geld für die Miete und Energiekosten für den Laden und wir sind auf die Produkte der Überflussgesellschaft, die wir ablehnen, angewiesen.“ Allerdings sei der Teller, die Lavalampe keine Ware mehr, sobald sie erneut und umsonst in den Umlauf gebracht werde, sagt Bergmann. Nicht zuletzt hat diese Wiederverwendung einen ökologischen Aspekt – wider „Konsumterror und Müllberge“, wie es auf der Homepage heißt.

Im Unterschied zu Tauschringen erwartet der Umsonstladen keinerlei Gegenleistung, so dass ihn auch diejenigen nutzen können, die nichts haben – also auch illegale und geduldete Flüchtlinge. „Wir gehen davon aus, dass jeder das Recht auf ein gutes Leben hat“, sagt Bergmann. Dennoch werden auch Bremer Tauschringe in die Auflistung der Umsonstökonomie mit aufgenommen. „Wir halten das ja nicht für ein falsches Prinzip“, sagt Bergmann.

Auch wer keine Gegenstände sucht, wird fündig über das Umsonstverzeichnis: Fahrradwerkstätten, Übernachtungsmöglichkeiten, Freies Radio, Kulturzentren, Beratung, auch die Volxküche im Sielwallhaus taucht auf, obwohl dort ein Unkostenbeitrag von zwei Euro pro Mahlzeit erhoben wird.

Mit dem Essen ist es übrigens gar nicht so leicht, weiß Johann Bergmann aus eigener Erfahrung. Er kenne zwar Leute, die sich als Kollektiv fast ausschließlich aus Containern ernähren, erzählt er, aber wer auf Bio-Lebensmittel Wert lege, finde kaum etwas. Eiken Bruhn

Mehr Informationen über Umsonstökonomie in Bremen, die Veranstaltungsreihe (ab 27. März an der Uni) und Öffnungszeiten des Umsonstladens: www.umsonstladen-k108.de.vu.

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