: Schweiz ganz vorn
Keine Bank der Welt hat durch die Hypothekenkrise in den USA bislang mehr verloren als die renommierte Schweizer UBS
AUS BERLIN MAIKE BRZOSKA
Die derzeitige Finanzkrise mag ihren Ausgang in den USA haben, den Spitzenplatz bei den Verlusten aber hat seit gestern eine Schweizer Großbank inne: Am Dienstag gab die Union Bank of Switzerland (UBS) bekannt, im ersten Quartal dieses Jahres einen Verlust von 7,6 Milliarden Euro eingefahren zu haben. Insgesamt summieren sich die Verluste, die die Schweizer Vorzeigebank durch die Hypothekenkrise zu verzeichnen hat, auf knapp 24 Milliarden Euro.
Außerdem muss die Bank Wertpapiere im Wert von rund 12 Milliarden Euro abschreiben. Die verbleibenden Finanztitel sollen nun in eine separate Abwicklungsgesellschaft ausgegliedert werden. Dadurch können die Ramschpapiere außerhalb der Bilanz geführt werden, so dass sie den Bilanzgewinn nicht mehr schmälern. Die neue Gesellschaft soll verkauft werden. Darüber hinaus werde es im Investmentbanking zu Umstrukturierungen und zu Stellenstreichungen kommen. Den Umfang des Stellenabbaus wollte die Bank nicht beziffern.
Fast ebenso überraschend wie die Rekordverluste ist für viele der ebenfalls am Dienstag bekannt gegebene Rücktritt des Aufsichtsratsvorsitzenden Marcel Ospel, der bislang alle entsprechenden Forderungen abgelehnt hatte. Er sehe seinen Beitrag nach den intensiven Wertberichtigungen als erfüllt an, sagte Ospel. Sein Nachfolger ist Peter Kurer, der seit sechs Jahren Chefjurist bei der UBS tätig ist.
Die Bank, die Ospel Ende 2007 noch als eine „der am besten kapitalisierten Banken weltweit“ bezeichnete, muss nach den Wertberichtigungen um ihre Liquidität bangen. Mit einer Kapitalspritze will die UBS ihre Eigenkapitalquote erhöhen. Dass andere Banken der UBS einen Kredit in dieser Größenordnung gewähren, ist allerdings eher unwahrscheinlich. Denn wegen der Bankenkrise vertrauen die Finanzinstitute nicht darauf, das Kredite zurückgezahlt werden. Geplant ist bislang eine Zuteilung von neuen Bezugsrechten an die UBS-Aktionäre.
Daneben werden auch die ausländischen Staatsfonds ihre Anteile an der Bank aufstocken, die sich im Februar in die UBS eingekauft hatten. Von dem Singapur-Staatsfonds GIC und einem nicht näher bekannten Investor aus dem Nahen Osten sollen insgesamt 9 Milliarden Euro bereitgestellt werden. Der Singapur-Staatsfonds hatte Ende März bereits angekündigt, dass er Großaktionär bei der größten Schweizer Bank werden wolle. Die EU-Kommission äußerte sich kritisch dazu. Sie befürchtet, dass die großen Staatsfonds die derzeitige Situation als „Türöffner“ benutzen, um Kontrolle über wichtige europäische Industriezweige zu bekommen.
Die UBS ist das Traditionshaus unter den Schweizer Banken. Im vergangenen Jahr hat sie zum ersten Mal in ihrer langen Geschichte Verluste eingefahren. Als weltweit größte Vermögensverwalterin ist sie stärker auf das Vertrauen der Anleger angewiesen als andere Finanzinstitute. Vor allem Kleinkunden haben in den letzten Wochen aber offensichtlich den Glauben in die Bank verloren und ihr Geld abgezogen. Die UBS räumte ein, Kunden verloren zu haben. Allerdings sei dies „bisher nicht in großem Umfang“ geschehen. Der Kurs der Aktie brach seit dem Höchststand im Sommer 2007 um mehr als die Hälfte ein.
Umso erstaunlicher ist die Reaktion der Börse auf die Verlustmeldungen am Dienstag: Die UBS-Aktie legte zeitweise um mehr als 10 Prozent zu. Analysten werteten die Quartalsmeldung nämlich als Befreiungsschlag. Die Abtrennung der Immobilientitel in eine eigene Gesellschaft sei sinnvoll. Vor allem aber wurde der Abgang Ospels begrüßt. Der hatte die Auswirkungen der Hypothekenkrise immer wieder falsch eingeschätzt und stand zunehmend in der Schweiz wegen seines Millionengehalts in der Kritik.
Mitarbeit: Markus Rohner
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen