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Militärs überfordert

AUS BANGKOK NICOLA GLASS

Durch den Wirbelsturm „Nargis“ sind in Birma viel mehr Menschen gestorben, als zunächst berichtet. „Nach den jüngsten Informationen kamen mehr als 10.000 Menschen ums Leben“, sagte Außenminister Nyan Win am Montag im Staatsfernsehen nach einer Sitzung mit ausländischen Diplomaten. „Wir sind noch immer dabei, Informationen zu sammeln, und es könnte noch weitere Opfer geben.“ Der Minister begrüßte die vom Nachbarland Thailand angekündigte Nothilfe. Er sagte, sein Land würde auch Hilfe aus anderen Ländern begrüßen – die autoritär regierenden Militärs werden mit der Katastrophe nicht fertig.

„Es sieht aus wie in einem Kriegsgebiet“, hatte ein Beobachter die Lage umschrieben. Mit umgestürzten Bäumen, zerstörten Häusern und überfluteten Städten hat „Nargis“ in Birma eine Spur der Verwüstung hinterlassen. In der ehemaligen Hauptstadt Rangun gibt es immer noch keinen Strom. Die Menschen stehen Schlange, um Kerzen zu kaufen, deren Preis sich über Nacht verdoppelt hat. Um an Güter zu kommen, müssen die Bewohner durchs Wasser waten. Es fehlt vor allem an Trinkwasser, Decken, Kleidung und Notunterkünften.

Außer Rangun sind vor allem die Regionen Irrawaddy, Bago, Karen und Mon schwer betroffen. Im Laufe des gestrigen Abends war noch nicht klar, ob sich die Junta mittlerweile angesichts des Ausmaßes der Katastrophe bereit erklärt hat, internationalen Helfern Zugang zu den verwüsteten Gebiete zu gewähren. Kurz zuvor hatte es aus Diplomatenkreisen geheißen, die Militärführung werde voraussichtlich bald offiziell um ausländische Unterstützung bitten.

Schon drohten sich Unstimmigkeiten mit der bei Birmas Generälen verhassten internationalen Gemeinschaft abzuzeichnen: Den ganzen gestrigen Tag hatte sich die Militärregierung geziert, allen ausländischen Helfern die Einreise zu erlauben, wie Exilorganisationen es gefordert haben. „Hier ist internationale Erfahrung mit Katastrophenhilfe gefragt. Die Militärjunta ist auf solche Probleme nicht vorbereitet“, so Naing Aung von dem in Thailand ansässigen Forum for Democracy in Burma. Nach UN-Angaben steht ein Expertenteam in der thailändischen Hauptstadt Bangkok bereit, das die Katastrophenhilfe koordinieren will. Erste Hilfslieferungen des Internationalen Roten Kreuzes sind bereits verteilt. Doch die reichen bei weitem nicht aus. Etliche entlegene Gebiete konnten bisher nicht erreicht werden, die Kommunikation in den verwüsteten Regionen ist zum größten Teil zusammengebrochen.

Der ehemalige schwedische Minister Jens Orback, der im Auftrag des Olof-Palme-Instituts die politischen Bedingungen in Birma vor dem für Samstag geplanten Referendum untersucht hatte, berichtete bei seiner Rückkehr von chaotischen Zuständen. Selbst in Rangun habe es bis zu zwölf Stunden gedauert, bis die Behörden reagiert hätten, sagte er gegenüber Journalisten in Bangkok. Die Menschen hätten sich gegenseitig geholfen, so gut es ging.

In der Tat ist die Junta, die Birma seit 1962 mit brutaler Hand regiert, angesichts der immensen Katastrophe überfordert. Viele Bewohner berichten, sie seien bei den Aufräumarbeiten auf sich selbst gestellt gewesen. Im Westen Ranguns wurden Anwohner ausschließlich von buddhistischen Mönchen unterstützt. Das Militär habe lediglich einige Hauptstraßen frei geräumt.

Einige machten ihrer Wut über die schleppende Unterstützung der Militärregierung Luft: „Wo sind denn all die Uniformierten, die so schnell Mönche und andere Zivilisten niederschlagen können?“, zitierte die in Nordthailand herausgegebene Dissidentenzeitschrift Irrawaddy einen Einwohner Ranguns in Anspielung auf die von der Junta im September 2007 blutig niedergeschlagene Demokratiebewegung. „Sie sollten hier anrücken, um die Stadt aufzuräumen.“

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