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Le Parc, c’est moi

Es ist eine hoch politische Ausstellung, obwohl man es auf den ersten Blick gar nicht bemerkt: Eine Ausstellung in Schleswig vollzieht die Demokratisierung schleswig-holsteinischer Parks und Gärten nach

Zugegeben, man fühlt sich in ihnen immer ein bisschen unwohl. In jenen weitläufigen Barock-Gärten, durch die man meist in gleißender Sommerhitze stapft und die einen so winzig wirken lassen. Barockgärten zu erwandern kann eine echte Mühsal sein, und genau so sind sie auch gedacht. Denn all dies – die Wirkung von Entfernung und strenger Symmetrie, exakt beschnittenen Hecken und exakt austarierten Blumenrabatten – wurde bewusst gesetzt. Schließlich waren die Auftraggeber absolutistische Herrscher. Und die wollten zeigen, dass sich es sich leisten konnten, kilometerweit Land urbar zu machen und Hunderte Arbeiter zur Pflege eines Parks einzusetzen. Barockgärten sind frappierend getreue Abbilder der damaligen politischen Verhältnisse – wie ihre Vorläufer und Nachfolger auch.

Historischen schleswig-holsteinischen Gärten und Parks gilt deshalb die aktuelle Ausstellung des Landesarchivs in Schleswig. Sie zeigt filigrane, rare Dokumente: Pläne von Renaissance-, Barock- und Englischen Gärten. Und was zunächst so kryptisch wirkt, liest sich letztlich wie ein Abriss der Gesellschaftssysteme. Dem mittelalterlichen Paradiesgarten, dem wohl geordneten „Hortus conclusus“ war etwa der Breitenburger Garten des Statthalters Heinrich Rantzau, mit den die Schau präsentiert, nachempfunden. Er demonstriert, was Renaissance-Gartenbaukünstler vorrangig taten: Sie maßen, schufen symmetrische Achsen und geometrische Formen wie Terrassen und Treppen. Sie zähmten Natur und teilten sie in übersichtliche Kompartimente.

Das wollten die barocken Nachfolger auch – allerdings in anderen Dimensionen. Nicht nur der Barockgarten von Schloss Gottorf in Schleswig demonstriert, dass Barockgärtner die Prinzipien der Renaissance übernahmen und zugleich aufblähten: Wege wurden weiter, Alleen breiter, der Pflanzenschnitt manirierter und akribischer. Dabei sollte all dies natürlich nicht das einfache Volk erfreuen, sondern die Macht des Besitzers demonstrieren.

Ein Konzept, das mit seinen Protagonisten – den Gottorfer Herzögen etwa – unterging. Die Aufklärung kam, und der Wunsch, die Natur zu unterwerfen, verschwand. Gartenbauer wollten jetzt mit dem arbeiten, was sie vorfanden, anstatt künstliche Parks zu erzeugen. Bäume blieben, wo sie waren, Wege wanden sich drum herum, Mauern verschwanden. Theoretiker wie der Kieler Universitätsprofessor Christian Cay Lorenz Hirschfeld machten den englischen Landschaftsgarten in Deutschland bekannt. Die neue Form entsprach dem Zeitgeist. Denn nicht nur die Natur bekam mehr Freiraum, auch das Bürgertum wurde selbstbewusster. Zeit, mit den „Englischen Gärten“ für alle zugängliche Parks zu schaffen.

Ein stimmiges Konzept – doch Reformern wie Harry Maasz, seit 1912 Garteninspektor in Lübeck, ging es nicht weit genug: Er wollte pragmatische Parks, die nur der Erholung der Bevölkerung dienten. „Volkspark der Zukunft“ nannte er sein Konzept. Einen Mix aus englischem Garten, Versammlungsräumen, Sportanlagen und Schrebergärten wollte er schaffen. Verwirklich wurden die in Schleswig präsentierten Pläne nie. Als Prototyp dessen, was man sich damals unter einem modernen Stadtpark vorstellte, kann aber der Kieler Schlossgarten gelten. Und wenn man bedenkt, dass „grüne Lungen“ seit Ende des 19. Jahrhunderts integraler Bestandteil jeder Großstadt sind, spiegelt die Geschichte der Gartenkunst durchaus die Demokratisierung der europäischen Gesellschaften. PETRA SCHELLEN

Die Ausstellung „Die Ordnung der Natur – Historische Gärten und Parks in Schleswig-Holstein“ ist bis 31. 10. im Schleswiger Prinzenpalais zu sehen.

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