: Dagoberts goldener Turm
Es geht um ein Milliarden-Vermögen. Die Lewy-Foundation will in Bremen ihren Sitz nehmen und viel Gutes tun. Initiator ist „Henri-Isaac Lewy alias M. Gläser“. Wer ist dieser Alias? Die taz recherchierte
Von KLAUS WOLSCHNER
Henri-Isaac Lewy will so viel Gutes tun in Bremen. Er ist 77 Jahre jung, trotz der frühsommerlichen Hitze mehr als korrekt gekleidet, unveränderliche Kennzeichen sind die buschigen Augenbrauen. Der Bremer Rosenak-Verein braucht 200.000 Euro, um das frühere jüdische Gemeindehaus zu kaufen und zu einer Erinnerungsstätte zu machen. „Da will ich helfen“, sagt Lewy, mit 200.000 Euro das Haus kaufen. Henri-Isaac Lewy nennt diverse Firmen weltweit sein Eigen und die „Julius Lewy-Foundation i.G.“, Hauptsitz Santa Barabara. Das Geld liege in der Schweiz. In Bremen soll der deutsche Sitz entstehen. Dafür hätte er gern die große Villa am Osterdeich 27 gekauft, die einmal das Domizil von Scientology war. Aber nicht, wenn darin Eigentumswohnungen verkauft sind. Der Sitz der Stiftung soll doch repräsentativ sein.
Mit der Stiftung soll ein Programm finanziert werden, „um die Kinderarmut zu beseitigen“. Sagt Lewy. „Sie kommen von der taz?“, da habe er auch Genossenschaftsanteile. Ach ja, und dann ist da noch die „Crystal International Consulting LtD“, Sitz Obernstraße 62-66. Eigentlich liegt der Eingang zu dem kleinen Büro in einer kleinen Seitenstraße. Die Geschäftsidee der Crystal Consult ist es, Menschen zu einer sicheren Altersvorsorge zu verhelfen. Der Kampf um die Rohstoffe sei weltweit entbrannt, heißt es in einer Werbebroschüre, „partizipieren Sie daran und sichern Sie sich einen Teil dieser metallischen Ressourcen“. Die Bremer Investitionsgesellschaft BIG fand die Idee überzeugend und hat an Crystal Consult für rund 100.000 Euro den „Bunker Muggenburg“ im Überseehafen verkauft. Der Bunker soll zu einem Lager für wertvolle Metalle umgebaut werden. „Da lagern jetzt schon 30 Tonnen Silber in Tresoren“, sagt Lewy. „Keine Futures, keine Optionspapiere – wer in Metalle investiert, hat einen echten Gegenwert“, schwärmt der 77-Jährige. Und der Wert steigt gerade sprunghaft.
Als der Weser Kurier das Projekt euphorisch vorstellte, hatte der die Assoziation zu Onkel Dagobert, der so gern in Geld badet. 70 Prozent der Firma Crystal Consult gehören ihm, sagt Lewy über seine Investfirma Confino Invest S.A., der Rest seinen Kindern – ein echtes Familienunternehmen. Auf der Internet-Seite www.crystal-consult.com ist auf 25-Seiten die Familiengeschichte Lewy veröffentlicht. Darin wird die Geschichte von dem Legat erzählt, das im Jahre 1945 den Wert von 580 Millionen US-Dollar gehabt hat – heute wäre das ein Milliarden-Vermögen. Durch Beschluss des Bezirksgerichtes Lausanne von 1985 sei ihm, dem Sohn Henri-Isaac Lewy, die „Testamentsvorstellung für dieses Legat“ von Julius Lewy übertragen worden.
Nein, das Lewy-Legat gehöre nicht ihm, beteuert Henri-Isaac Lewy. Er habe bis heute das Legat nicht angenommen, sagt er. Erst habe er die Familiengeschichte aufarbeiten müssen, die ihn als Sohn ausweist – denn er habe bis 1985 gar nicht gewusst, dass er „Henri-Isaac Lewy“ und damit der Sohn des Julius Lewy sei. Als Manfred Gläser ist er in Bremen aufgewachsen, in den Kriegswirren hätte es ihn kleines Kind nach Bremen verschlagen und er sei von einer wunderbaren Mutter, die gerade ihr Kind verloren hatte, aufgenommen worden. So habe er den Holocaust überlebt. „Henri-Isaac Lewy alias M. Glaser“ steht im Impressum der Internetseite www.lewy-foundation.com. Die amerikanische Mutterstiftung aus Santa Barbara ist im Internet allerdings nicht zu finden.
Alias? Das Internet ist gnadenlos. Gibt man bei Google „Manfred Gläser“ ein, stößt man bald auf eine unglaubliche Geschichte, die der Focus 1995 genüsslich erzählt hat: Ein Hochstapler und Millionenbetrüger namens Manfred Gläser hat schöne reiche Frauen ausgenommen und wurde schließlich in Casablanca im Nobel-Hotel „Hyatt“ zur Strecke gebracht. „Es gibt viele Manfred Gläsers“, sagt Henri-Isaac Lewy, auf diese alte Geschichte angesprochen. Aber der Focus veröffentlichte damals auch ein Foto von Gläser – kein Zweifel, bis hin zu den buschig-schwarzen Augenbrauen stimmt das Bild überein mit unserem Bremer Henri-Isaac Lewy.
Lewy räumt es schließlich ein: Ja, eine alte Geschichte, unter der seine Familie sehr gelitten habe. Was macht es für einen Sinn, sie wieder aufzurollen? Das würde doch nur seinen Kindern schaden und das neue Unternehmen, Crystal Consult, in Misskredit bringen. Im Bremer Handelsregister ist als Geschäftsführerin von Crystal Consult eine Deborah Gläser eingetragen. „Eine meiner sieben Töchter“, sagt Lewy.
Prokurist bei Crystal Consult ist Manfred Hinz. Der Schwiegersohn? „Das möchte er gern werden“, räumt Lewy großväterlich ein. Auch Tochter Gloria Gläser hält Anteile. Also wirklich ein Familienbetrieb, in dem mancher Besucher den Eindruck hatte, dass der Alte den Ton angibt.
Seit aber das Gerücht kursiert, dass der „Alias“ von Lewy der alte Gläser aus dem Focus sein könnte, passt diese Familiengeschichte nicht mehr ins Bild der neuen Firma. Der Link auf die Biografie ist gelöscht. Die Schlösser von Crystal Consult sind ausgetauscht worden. Es gab einen ominösen Einbruch. Die Kripo wartet seit Tagen auf eine Auflistung dessen, was eigentlich gestohlen wurde. Was hat der alte Lewy mit dem Unternehmen zu tun? „Der ist raus, definitiv“, beteuert Prokurist Manfred Hinz. Henri-Isaac Lewy sagt, er wolle ausscheiden, innerhalb von zwei Wochen, weil er das Unternehmen nicht belasten wolle.
Bei der Bremer Investitionsgesellschaft (BIG) weiß man nichts von den Hintergründen der Crystal Consult. Der Bunker sei bezahlt, damit sei die Sache für die BIG abgeschlossen, sagt die Sprecherin, „für uns ist das Projekt abgewickelt“. Der oberste Bremer Wirtschaftsförderer, Dieter Russ, war im Weser Kurier mit den Worten zitiert worden, es sei „ganz prima“, dass aus dem alten Bunker jetzt eine „silberne Braut“ werde.
In einem „buten&binnen“-Film über den „Metal Tower“ war der Chefanalyst der Landesbank über Geldanlagen in Metalle im Allgemeinen zu Wort gekommen. Das machte den Eindruck, als stünde die Landesbank irgendwie dahinter. Bei der Vorstellung, dass da spekulative Investments in Edelmetalle als Alterssicherung angepriesen werden, stockt Chefanalyst Folker Hellmeyer allerdings. Das sei „ambitiös“, sagt er, „wenn Sie verstehen, was ich damit meine“. Spekulation mit Metallen würde die Landesbank nie als Alterssicherung empfehlen.
Solche Skrupel kennt die Kundenwerbung der Crystal Consult nicht. Warum sollte der Name Lewy diesem todsicheren Geschäft schaden? Manfred Gläser wurde 1993 in Frankfurt zu achteinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, weil er 114 Kunden um Millionen-Beträge betrogen hatte – bei Geldanlagegeschäften. Im Hafturlaub hatte er sich nach Casablanca abgesetzt. Sein Fehler war, dass er noch von dort aus weiterhin Gold- und Diamantengeschäfte anbot. Bis ihn eine potenzielle Kundin aus Berlin dort aufspürte und mit einem eigens angeheuerten Bodyguard an die Polizei auslieferte. „Endstation Casablanca“ ist der Titel der Focus-Story von 1995.
Die Namensliste der taz-Genossenschaft kennt übrigens in der Tat einen Manfred Gläser. Der beantragte im Jahre 2000 die Mitgliedschaft und wollte einen Anteil als Einlage zahlen. Absenderadresse: Paradeplatz 5, Schwalmstedt. Das ist die Anschrift der dortigen Justizvollzugsanstalt. Das Geld für den Genossenschaftsanteil wurde nie überwiesen.
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