: Arm und nicht mal sexy
Der RBB schafft Radio Multikulti und sein ARD-Magazin „Polylux“ ab. Das spart schon mal 36 von 54 nötigen Millionen Euro. Der Rundfunkrat darf heute noch mal drüber reden. Kurt Krömer aber bleibt
AUS BERLIN JULIANE WIEDEMEIER UND STEFFEN GRIMBERG
Der vom Sparzwang gebeutelte Rundfunk Berlin-Brandenburg wirft einige seiner bekanntesten Pferde aus dem Stall: Wie RBB-Intendantin Dagmar Reim am Mittwochmorgen einer konsternierten Mitarbeiterrunde mitteilte, stellt der RBB sein Radio Multikulti, die erste multinationale Hörfunkwelle Europas, zum Jahresende ein. Ebenfalls geopfert wird das Zeitgeistmagazin „Polylux“, eine der wenigen prestigeträchtigen RBB-Zulieferungen fürs Erste ARD-Programm.
Grund ist die finanzielle Schieflage beim RBB, so die Intendantin. Die vor genau fünf Jahren aus ORB und SFB fusionierte Anstalt sendet für das strukturschwache Brandenburg und die genauso pleite Hauptstadt Berlin. Da auch die nächste Gebührenerhöhung nicht so üppig ausfällt und der RBB zusätzlich durch Gebühren-Befreiung wegen Hartz IV darbt, fehlen ihm bis 2012 rund 54 Millionen Euro. Das sind über zehn Prozent der heutigen RBB-Erträge in Höhe von rund 406 Millionen Euro.
Der RBB-Rundfunkrat hat sich mit der Programmkappung nicht beschäftigt: Er tagt nämlich erst heute. Zwar äußerte seine Vorsitzende Ulrike Liedtke gestern per RBB-Pressemitteilung Verständnis für „diese unvermeidlichen, bitteren programmlichen Konsequenzen“. Andere sind dagegen sauer, dass man das Thema nicht zuerst auf der heutigen Sitzung behandelt hat. „Das Vorgehen hat uns schon irritiert“, sagte Dieter Pienkny, der für den DGB im obersten RBB-Gremium sitzt: „Die Karawane zieht weiter, und man kann nur noch hinterherbellen.“
Um neun Uhr waren gestern die MitarbeiterInnen von Multikulti zu einer außerordentlichen Versammlung zusammengetrommelt worden. RBB-Hörfunkdirektor Christoph Singlstein nannte dort die Schließung nach 15 Sendejahren „eine schmerzliche Entscheidung“, die dem Haus aber „den geringstmöglichen Schaden zufüge“. RBB-Chefin Reim sagte, sie habe „bis zum Schluss“ versucht, über einen Finanzausgleich zwischen den anderen ARD-Anstalten „Geld aufzutreiben“ – doch weil diese sich eher mal verweigert hätten, „bleibe nur noch die Abschaltung einer Welle“.
Innerhalb der Redaktion hält man diese Entscheidung für falsch. „Radio Multikulti ist aufgrund der wenigen Festangestellten leicht abzuwickeln“, sagte ein Mitarbeiter. „Dabei gehört der Sender zu den wenigen Wellen, die den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks noch wirklich voll erfüllen.“
Auf den Multikulti-Frequenzen soll ab Januar 2009 das vom WDR produzierte Funkhaus Europa zu hören sein, das 1998 nach dem Vorbild Multikulti aufgebaut wurde. Von der Abwicklung des Senders nicht betroffen sind voraussichtlich die arabische, russische und polnische Multikulti-Redaktion, da diese Sprachen beim Funkhaus Europa bisher nicht vorkommen. Bezahlen muss der RBB für die freundliche Hilfe ausgerechnet aus Köln – der finanzstarke WDR hatte dem RBB-Vorläufer SFB auch die Leitung des Hauptstadtbüros abgeluchst – zwar nichts. Trotzdem hält RBB-Mann Singlstein von dem WDR-Deal wenig: Funkhaus Europa sei schließlich „nur der zweite Aufguss“ des RBB-Konzepts, moserte er im Multikulti-Mittagsmagazin „Metro“ – doch „in der Not frisst der Teufel Fliegen“.
Der Frust ist echt, zumal das Sparprogramm nicht einmal reichen wird: 35 Millionen Euro – davon 16 Millionen von Multikulti – bringen die heute verkündeten Maßnahmen, zu denen auch das Einfrieren von Honorar- und Investitionstöpfen gehört. Macht immer noch einen Fehlbetrag von rund 20 Millionen Euro.
Mit seiner ganz bewusst in die Öffentlichkeit getragenen Streichaktion setzt der RBB auch ein Signal an die ganze ARD. Ihr stehen weitere heftige Diskussionen um die interne Finanzverteilung ins Haus, denn zumindest bei Radio Bremen und dem Saarländischen Rundfunk kann mit dem vorhandenen Geld das heutige Angebot ebenfalls nicht gehalten werden.
Dem Ersten auf RBB-Rechnung erhalten bleibt immerhin der eben wieder mit seiner „Internationalen Show“ gestartete Kurt Krömer. Der kommt schließlich aus Neukölln, wo es schon immer etwas billiger war.
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