piwik no script img

berliner szenen Worte wie Schläge

Isch mach disch Urban

Das Urbankrankenhaus soll im Rahmen einer Sanierungsaktion elf Millionen Euro für die Renovierung des Hauptgebäudes bekommen. Es gibt wohl kaum einen Berliner, der nicht ein paar Geschichten über die Notaufnahme am Landwehrkanal kennt. Auch ich war mal dort. Ein Freund war beim Fahrradfahren auf einer Schotterstraße so gestürzt, dass das Knie ein blutiger Matsch war, in dem sich tausende winzige Steinchen tummelten. Ein junger Arzt schrubbte sie entschlossen mit einer Metallbürste heraus.

Das ist jetzt viele Jahre her und neulich musste ich wieder daran denken. Ein Freund, der Filme fürs Fernsehen macht, erzählte mir, was er in der Steinmetzstraße in Schöneberg erlebt hat, wo er einen Sozialarbeiter mit der Kamera begleitete. In der kleinen Straße an der U-Bahnstation Bülowstraße, in der vorwiegend libanesisch-palästinensische und kurdische Großfamilien wohnen und die Onkels schon mal bis zu 22 Neffen haben, leben nur noch wenige Deutsche. Fremde werden deshalb nicht nur argwöhnisch betrachtet. Jugendliche Halbstarke, denen nicht die Welt, aber ihre Steinmetzstraße gehört, ballten die Fäuste und funkelten böse mit den Augen, als das Fernsehteam sich nicht davon abhalten ließ, den Sozialarbeiter weiter zu begleiten. Die Jungs können sich nicht unbedingt differenziert in der deutschen Sprache ausdrücken. Aber sie bringen einen Sachverhalt so auf den Punkt, dass ihnen ein Preis für kreative Sprache gebührt. Als die Diskussion mit dem Fernsehteam zu eskalieren drohte, sagte ein jugendlicher Steinmetz: „Isch mach disch Urban.“ Disch, disch, disch. Worte wie gezielte Schläge. Isch mach disch Urban. Das nenne ich sprachliche Akutversorgung. BARBARA BOLLWAHN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen