: Wohin, Gema?
Die EU will einen Wettbewerb der Rechteverwerter, um Musiker vor kartellmäßigen Absprachen zu schützen
Giorgio Moroder ist ein Weltstar. Die Songs des Discoproduzenten werden überall gespielt. Dies lässt sich der Südtiroler international auch gleich von mehreren Verwertungsgesellschaften honorieren, die seine Rechte wahrnehmen.
Unbekanntere Komponisten oder Texter waren bisher dagegen an die Verwertungsgesellschaften ihrer Herkunftsländer gebunden, die für sie etwa bei der Online-Nutzung tätig wurden. Das könnte sich bald ändern, denn am Donnerstag hat die EU-Kommission, nach einer Klage des Fernsehsenders RTL, ihre Entscheidung im Kartellrechtsverfahren gegen den Weltverband der musikalischen Verwertungsgesellschaften (Cisac) bekanntgegeben. Ihm gehören 24 europäische Verwertungsgesellschaften an, darunter auch die deutsche Gema.
Künftig darf die Gema Musiker nicht mehr daran hindern, ihre Rechte von Verwertungsgesellschaften im Ausland vertreten zu lassen, und muss im Gegenzug auch Musiker aus dem Ausland als Mitglieder aufnehmen. Die EU-Kommissarin Neelie Kroes glaubt, von dieser Entscheidung profitiere „die kulturelle Vielfalt“. Künstler könnten durch die freie Wahl der Verwertungsgesellschaft bessere Laufzeiten für Verträge und höhere Tantiemen erzielen, weil es nun zu einem gesteigerten Wettbewerb komme, so Kroes. In einer Pressemitteilung verteidigte sich der Gema-Vorstandsvorsitzende Harald Heker dagegen, die Gema sei „seit Jahrzehnten“ international ausgerichtet und habe „mehrere tausend“ ausländische Mitglieder.
In Brüssel spricht man von Anti-Trust-Gesetzgebung. Dabei gibt es in den einzelnen Ländern große Unterschiede im Urheberrecht: Während etwa die Verwertungsgesellschaft P.R.S. in England erst bei Konzerten ab 500 Zuschauern Abgaben verlangt, fordert die Gema selbst von Jugendzentren Gebühren für auftretende Musiker. „Eine starke Verwertungsgesellschaft wäre weiterhin wünschenswert“, sagt der Hamburger Musikverleger Toni Malten, der zahlreiche Musikverlage und Komponisten wie Raemonn und Tom Liwa betreut. Malten betrachtet die Arbeit der Verwertungsgesellschaften, deren Mitglieder bisher langen Vertragszeiten ausgesetzt waren, zwar kritisch, dennoch helfe die EU-Entscheidung nicht weiter.
Für ihn geht es im Zeitalter der elektronischen Unterhaltung um gravierendere Probleme: „Inzwischen verhandeln Verwertungsgesellschaften nicht mehr nur mit musikaffinen Plattenfirmen oder Radiosendern, sondern auch mit Telefongesellschaften und Elektronikkonzernen. Gegen solch mächtige Musiknutzer kann man nur im Rahmen kollektiver Rechtewahrnehmung bestehen.“
Malten sieht mit der neuen EU-Gesetzgebung auch steuerliche Probleme auf Musiker zukommen, die sich im Ausland registrieren lassen. Steuerliche Gründe waren es sicher nicht, die Giorgio Moroder dazu veranlassten, seinen Wohnsitz 1978 von München nach New York zu verlegen. JULIAN WEBER
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