Premiere vor der Vorpremiere: Finnischer Tango
Wer würde einem Schwerstinvaliden seinen Behindertenausweis klauen? Wer würde den neuen Rollstuhl eines Spastikers auf dem Hehlermarkt verhökern? Wer würde einer jungen, geistig behinderten Frau ihre Ersparnisse abluchsen und sie einem Callboy zuführen?
Sie sehen, wir haben es bei dem Protagonisten des Spielfilms „Finnischer Tango“ mit einem ziemlichen Früchtchen zu tun. Alexander heißt dieser asoziale und gefühllose Klotz von einem Mann – überraschend ist nur, dass er auf seinem Akkordeon so schön traurige Tangos spielen kann.
Für die deutsch-türkische Regisseurin Buket Alakus schleppt er „eine unsichtbare Behinderung“ mit sich herum, und Christoph Bach spielt ihn mit einer unterschwelligen Schwermut, die der Figur einen ganz eigenen, irritierenden Charme verleiht. Ihm verzeiht man auch das Unverzeihliche, weil man spürt, dass er sich selbst mit seinen Taten mehr schadet als seinen Opfern, und dass er dringlich einer Heilung bedarf, gegen die er sich aber sträubt.
Er steckt so tief im Schlamassel, dass er sich als Epileptiker ausgeben muss, um sich so Arbeit in einem Theaterprojekt für Behinderte und dann Unterschlupf in deren Wohngemeinschaft zu erschwindeln. Doch bei dieser Gruppe findet er sich schnell in einem Crashkurs im Fach Empathie wieder.
Dass Behinderte den vermeintlich „Normalen“ den Spiegel vorhalten, diese sich dann als emotionale Krüppel erweisen und durch die Freundschaft mit den vermeintlich Schwächeren gesunden, ist nicht erst seit „Rain Man“ ein im Kino gern verwendeter Topos. Der bisher erfolgreichste in Bremen produzierte Spielfilm „Verrückt nach Paris“ folgt dem gleichen dramaturgischen Muster, und so verwundert es kaum, dass mit Eike Besuden einer der beiden Regisseure jenes Films bei „Finnischer Tango“ als Produzent mitgearbeitet hat.
In einer Nebenrolle taucht sogar einer der damaligen Hauptdarsteller auf, aber damit ist es dann vorbei mit den Parallelen. Denn während „Verrückt nach Paris“ filmisch eher grob gestrickt war und vor allem durch die intensive Darstellung der behinderten Schauspieler überzeugte, ist „Finnischer Tango“ sowohl vom Drehbuch wie auch von der Regie her ein ausgefuchstes Werk.
Und nicht irritieren lassen: Zwar war am Sonntag Premierenparty im Theater am Goetheplatz, als Vorpremiere läuft der Film aber dennoch erst am Mittwoch – warum auch immer. HIP
Mittwoch, 21.30 Uhr, Schauburg
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