BERLINER PLATTEN: Das Traute im Duett: Sorry Gilberto setzen sich zu hübsch auf dem Sofa arrangierten Folkssongs, Sister Chain & Brother John halten es mit heruntergestripptem Rock ’n’ Roll
Duos. Im speziellen Mann und Frau, was schon mal von der Grundkonstellation her etwas Intimes hat und wie jede Beziehung durchaus fragil dasteht. Selbst in einer festen Partnerschaft, die dann ja ihre Arbeitsteilungen kennt, und sei es nur, dass der eine eher für die tieferen Gesangslagen zuständig ist und die andere für die höheren Register wie bei Sorry Gilberto. Sind Jakob Dobers und Anne von Keller. Mann und Frau. Ein Duo. Und damit eben noch nicht eine richtige Band, auch wenn musikalisch eigentlich alles drin ist bei dessen neuer CD „Memory Oh“ mit den insgesamt 13 Liedern, die dabei allesamt eher nach Folksongs klingen. Und Folksongs sind eben die musikalische Disziplin, für die man gar keine Band braucht.
Selbst wenn neben der akustischen Gitarre durchaus gleichberechtigt auch Bass, Ukulele, Casio oder Flöte mitklimpern dürfen, klingt das Album doch eher nach Woody Guthrie (um im Folkalphabet einmal ganz vorn anzufangen), einem frühen Donovan, der halt durchgereicht wird zum heutigen Anti-Folk. Der in dieser Zunft allerdings oft zu hörende Punk-Input jedoch fehlt bei Sorry Gilberto vollkommen. Mehr hört man hier von einem Kinderzimmerpop und pastellfarbenen Spieldosenmelodien, die mit den Erinnerungen an Leonard-Cohen-Platten dann hübsch durcheinander arrangiert auf dem Sofa sitzen. Dazu singen die beiden über so Sachen wie die Beatles auf dem Weg nach Indien, also über alles und nichts. Nichts besonders Bedeutsames jedenfalls, sich selbst damit Ernst nehmend mit ihren eigenen Liedern, weil es doch in dem „Silly Song“ heißt: „I want to sing you a silly song / about nothing special / special stuff is sad.“ Noch ein wenig charmanter wäre das natürlich gewesen, wenn sie es in Französisch oder durchaus auch auf Deutsch gesungen hätten und nicht in so einem langweiligen welthandelsüblichen Englisch. Denn um den Welthandel geht es bei Sorry Gilberto überhaupt nicht. Eher um Kleines. Feines. Dass die Release-Party (in einer Woche, am Samstag, 6. September) im L.U.X, also der Leistesten Unterhaltung X-bergs in der Schlesischen Straße 41 stattfindet, passt dazu.
Bei Sister Chain & Brother John, auch so ein Frau-Mann-Duo, sind die Requisiten noch einmal weiter aussortiert. Meist ist nur eine gern verzerrte elektrische Gitarre zu hören, und dafür wurde reichlich Hall auf die Singstimme von Sister Chain gelegt. Dazu manchmal ein trockenes Tambourin. Ein auf den nackten Knochen heruntergestrippter Rock ’n’ Roll, der so zum Beispiel auch The Kills für eine intensiv vibrierende Musik reicht. Zu diesem Duo stehen Sister Chain & Brother John, sie aus Israel, er aus England, was dann in Berlin zusammengekommen ist, durchaus in der nächster Nachbarschaft mit ihren dunklen, mit dem Kajalstift ummalten Stimmungen.
Auf ihrem Album „Darkness to warm your Heart“ haben sie den kleinen Raum eines Duos souverän mit seinen Beschränkungen angenommen und das weit ausgespielt. Kann man einerseits mit dem Fetischcharakter als Vinylplatte haben oder einfach die Download-Möglichkeit nutzen. THOMAS MAUCH
Sorry Gilberto: „Memory Oh“ (Goldrausch Records)
Sister Chain & Brother John: „Darkness to warm your Heart“, www.myspace.com/sisterchainbrotherjohn
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