piwik no script img

Ein Ort besonderen Schreckens

Vor 75 Jahren wurde das kleine KZ Fuhlsbüttel eröffnet. Es war eines der ersten und brutalsten des „Dritten Reichs“. Wichtigste Zielscheibe waren politisch Andersdenkende. Ab heute gibt es dazu eine Ausstellung in der Finanzbehörde

Es war eines der ersten Konzentrationslager in Deutschland und für extremen Terror bekannt: Vor 75 Jahren wurde das KZ Fuhlsbüttel eröffnet, dem ab heute eine Ausstellung in der Finanzbehörde gilt. 450 Häftlinge verloren zwischen 1933 und 1945 in Zuchthaus und KZ Fuhlsbüttel ihr Leben – oft durch Folter. Denn anders als das KZ Neuengamme, in dem Klinker für Prachtbauten der einstigen „Führerstadt Hamburg“ produziert wurden, war das KZ Fuhlsbüttel eine reine Strafanstalt.

Kommunisten und Sozialdemokraten wurden hier ab 1933 in einem Gebäudeteil der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel festgehalten. Später kamen Zeugen Jehovas, Swing-Jugendliche, Juden und solche Menschen hinzu, die die Nazis „asozial“ nannten: Homosexuelle, Prostituierte, Bettler und Sinti. Nach der Reichspogromnacht 1938 brachte die Gestapo zusätzlich 700 jüdische Männer in das Lager.

Eine große Häftlingsgruppe stellten auch Menschen dar, die der „Rassenschande“ – sexueller Beziehungen zwischen Nichtjuden und Juden – bezichtigt wurden. 1.150 von ihnen wurden nach 1935 ins KZ Fuhlsbüttel gebracht. Die Hamburger Justiz verurteilte 391 von ihnen zu Gefängnis- oder Zuchthausstrafen. „Das Strafmaß lag weit über dem Reichsdurchschnitt“, sagt Karin Schawe, Sprecherin der Gedenkstätte Neuengamme, die die Ausstellung initiiert hat.

Folter und Verprügelungen durch nächtliche Rollkommandos waren in Fuhlsbüttel Praxis. Die Verweildauer der Gefangenen variierte: Manche wurden nach Tagen oder Wochen freigelassen, andere in die KZs Buchenwald, Neuengamme, Ravensbrück oder Sachsenhausen verfrachtet.

Von Oktober 1944 bis Februar 1945 war in Fuhlsbüttel überdies ein Außenlager des KZ Neuengamme untergebracht. 200 Häftlinge aus zehn Nationen mussten Panzergräben ausheben, Blindgänger entschärfen und im Hafen arbeiten. Ein latentes Unrechtsbewusstsein der Täter offenbart die Tatsache, dass sie die Überlebenden im April 1945 zu einem Evakuierungsmarsch ins Arbeitserziehungslager Kiel-Hassee zwangen. Auch diesen überlebten nicht alle. Einige Häftlinge wurden erschossen. PETRA SCHELLEN

Die Ausstellung „KolaFu – ein Ort der Willkür und Gewalt“ ist von heute bis zum 16. September im Leo-Lippmann-Saal der Finanzbehörde zu sehen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen