: Ganz großes Kino
Mal was anderes als ein Autorenporträt! In zwei Wochen erscheint der neue Roman von Christian Kracht. Was man im Netz jetzt schon sehen kann, ist die Werbung hierfür: ein Animationsfilm
VON WIEBKE POROMBKA
Dass Werbung und Öffentlichkeitsarbeit in der Buchbranche immer wichtiger werden, ist ein Dauerthema der letzten Jahre. Zumeist hört man darüber durch zerknirschte Lektoren, die ihre Arbeit durch die Autorität von Marketing-Abteilungen in den Hintergrund gedrängt sehen.
Eine wesentliche Rolle spielt bisher die Covergestaltung. Weil ein Großteil der Kaufentscheidungen erst im Laden fällt, muss ein Buchumschlag als Eyecatcher funktionieren. Das Cover des neuen Romans von Christian Kracht, „Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten“ ist nicht sonderlich aufsehenerregend. Es zeigt einen Ausschnitt aus einer Afrikakarte.
Krachts Verlag Kiepenheuer & Witsch wird auch auf die üblichen Werbeanzeigen in Zeitungen verzichten. Stattdessen gibt es etwas anderes: einen knapp anderthalb Minuten dauernden Trailer. Derzeit kann man den Film auf YouTube und auf der verlagseigenen Homepage anschauen. Wenn Krachts Roman am 22. September erscheint, soll er auch vor Lesungen zu sehen sein. In Berlin, Hamburg und München kommt er sogar auf die Kinoleinwand.
Es ist nicht das erste Mal, dass Kiepenheuer & Witsch einen Buchtrailer in Auftrag gegeben hat. Eine Premiere allerdings ist, dass das Ganze mit so einem Aufwand betrieben wird. Studenten der Filmakademie Baden-Württemberg haben den Film in Zusammenarbeit mit einer Filmfirma produziert. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Es ist nicht etwa eins der immer etwas peinlich berührenden Autorenporträts, wie man sie etwa beim Bachmann-Preis zu sehen bekommt, sondern ein poetischer, fast psychedelisch anmutender Animationsfilm. Ein Schmetterling flattert durch eine traumartig dunkle afrikanische Landschaft. Elefantenherden und Vogelschwärme sind als Klangteppich zu erahnen. Kracht liest dazu eine Passage des Romans, in der Augenlidschlag des Erzählers und Flügelschlag des Schmetterlings miteinander verschmelzen. Der Falter lässt sich auf einer Blüte nieder – und wird vom Schritt vorbeimarschierender Soldaten zertreten. Ende.
Natürlich kann man es jetzt ganz typisch finden, dass ausgerechnet Christian Kracht, der sich als einer der bekanntesten Vertreter der Popliteraten schon immer gekonnt hat in Szene setzen können, mit so einem Film aufwartet. Damit verkennt man aber den Stellenwert dieses Trailers. Denn der ist nicht nur ein einfaches Werbefilmchen, sondern ein ästhetisches Produkt, das eigenständig funktioniert.
Bei Kiepenheuer & Witsch jedenfalls sieht man im Trailer ein Format mit Zukunft. Ob das nicht den Etat von Verlagen sprengen wird, ist die eine Frage. Die interessantere indes ist, was solche Filme als Konkurrenz für Texte bedeuten. Der Trailer zu Krachts Roman ist einigermaßen großartig, perfekt durchkomponiert. Das auf Großbildleinwand und in Kinolautstärke – da raschelt keiner in seiner Popcorntüte. Wenn in zwei Wochen der Roman von Kracht erscheint, wird man entscheiden können, ob der Effekt vergleichbar ist.
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