DIE USA VERSUCHEN IM KAUKASUS, DEN EIGENEN SCHADEN ZU BEGRENZEN: Ölige Diplomatie
US-Vizepräsident Dick Cheney reist derzeit durch den Kaukasus und in die Ukraine, um nach dem Georgienkrieg zu retten, was noch zu retten ist. Vor allem muss er die verunsicherten US-Freunde bei Laune und auf euroatlantischem Kurs halten. Schließlich geht es um Öl, Gas und alternative Exportrouten nach Europa, um die Energieversorgung unabhängiger von Russland zu machen. Doch nun ist das Image der USA auch in dieser Region angeschlagen. Washington war nicht zur Stelle, als der russische Bär zupackte. Es nahm sich zu ernst und den Kreml wieder mal zu leicht. Das Ergebnis war eine empfindliche Niederlage – auch für Washington. Der Preis für Treue ist im Kaukasus seither gestiegen.
Dennoch sollte er bezahlbar sein. Denn Russland hat sich mit seinem Militärschlag einen Bärendienst erwiesen. Den Warnschuss haben alle Nachbarn vernommen, er zeigt Wirkung. Mancher Anrainer denkt darüber nach, ob es nicht sicherer wäre, sich dem russischen Diktat zu beugen. Doch bleibt das Resultat ambivalent. Denn die Kaukasier und die Ukrainer wissen aus einer langen gemeinsamen Geschichte: Geben sie dem Druck des groben Nachbarn nach, bleiben Haus und Hof vorerst verschont. Aber die Luft zum Atmen würde langsam, aber sicher knapper. Daher wird am Ende der Selbstbehauptungswille dieser Völker siegen.
Im Unterschied zu den Europäern haben diese Länder längst begriffen, dass Moskaus Plädoyer für eine neue multipolare Weltordnung nur notdürftig kaschiert, dass es der Welt seinen eigenen Willen aufzwingen will. Der Kaukasusfeldzug hat der neuen multipolaren UN-Ordnung endgültig zum Durchbruch verholfen. Die USA, China, die Dritte Welt, Russland und die EU verfolgen vornehmlich eigene Interessen. Doch wer nun ganz allein dasteht, ist Russland. So hatte sich der Kreml das nicht vorgestellt. Denn mit zwei Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts lässt sich kein Superstaat machen. Hält der Kreml weiter an seinem Konfrontationskurs fest, der es in die Isolation treibt, wird Russland langsam, aber sicher zwischen den Polen zerrieben. KLAUS-HELGE DONATH
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