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PRÄSIDENT LULA WECKT VIEL HOFFNUNG, HAT ABER WENIG SPIELRAUMMitterrand auf Brasilianisch

Mit kaum einem Regierungswechsel in jüngerer Zeit verbinden sich solch enorme Hoffnungen auf Sozialreformen wie mit dem Amtsantritt von Luiz Inácio Lula da Silva. Fast 53 Millionen BrasilianerInnen gaben Lula ihre Stimme – auch ein Ausdruck der Unzufriedenheit über die neoliberalen Neunzigerjahre. Wahlentscheidend dürfte allerdings gewesen sein, dass es es dem Linkskandidaten gelungen war, den Widerstand aus dem Bürgertum und aus internationalen Finanzkreisen zu brechen. Die Formulierung „Bruch mit dem Wirtschaftsmodell“ aus dem ersten Wahlprogramm wurde diskret entsorgt, dem Internationalen Währungsfonds finanzpolitische Kontinuität zugesichert.

Bei der Nominierung seines Kabinetts und der Besetzung anderer Schlüsselposten ging Lula ebenso „vernünftig“ vor. Der neue Zentralbankchef und Exbanker Henrique Meirelles etwa war gerade für die bisher regierenden Sozialdemokraten ins Parlament gewählt worden. Landwirtschaftsminister wurde ein Vertreter des exportorientierten Agrobusiness. Finanzminister Antônio Palocci schließlich hat die Fortsetzung marktliberaler Orthodoxie, die die eigene Anhängerschaft als notwendiges Übel schlucken soll, schon mal für die kommenden zwei Jahre angekündigt.

Damit ist der Rahmen abgesteckt, innerhalb dessen sich Lulas Sozialpolitik bewegen kann. Sein Antihungerprogramm darf sich weiterhin des Beifalls aus Washington sicher sein, solange sie der marktwirtschaftlichen Logik nicht zuwiderläuft. Zu dieser Logik gehören auch in Brasilien der weitere Abbau von Arbeiterrechten und die Kürzung von Renten – hierzu herrscht verdächtige Stille. Fest steht jedoch, dass für den Schuldendienst weiterhin Haushaltsüberschüsse in Milliardenhöhe erwirtschaftet werden müssen, Mittel also, die beim Wandel hin zu einem sozial und ökologisch nachhaltigen Wirtschaftsmodell fehlen werden.

Auch außenpolitisch setzt Lula anscheinend auf Kontinuität. Seine Kritik etwa an der geplanten gesamtamerikanischen Freihandelszone von Alaska bis Feuerland konzentriert sich nun ebenso wie die seines Vorgängers Cardoso auf den nordamerikanischen Protektionismus.

Wird sich Lula lediglich als brasilianische Version eines François Mitterrand oder eines Felipe González entpuppen, linken Regenten also, die sich vor zwei Jahrzehnten rasch von Hoffnungsträgern zu Pragmatikern der Macht wandelten? Die engen innen- und außenpolitischen Spielräume sprechen dafür. Oder gelingt ihm doch die Abkehr vom Neoliberalismus, der kaum irgendwo deutlicher abgewirtschaftet hat als in Lateinamerika? Sicher nicht in wenigen Monaten und noch weniger im Alleingang. GERHARD DILGER

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