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Berliner PlattenT.Raumschmiere schnappt sich den Gitarrenverstärker, IC Falkenberg schaltet ihn aus

Sie könnten kaum unterschiedlicher sein. Der eine war staatlich geprüfte Rockinstitution, der andere Held illegaler Kellerclubs. Der eine veröffentlichte beim real existierenden Unterhaltungskonzern Amiga, der andere baute eines der renommiertesten und radikalsten deutschen Indie-Labels auf. Doch eines haben beide gemeinsam: Sowohl IC Falkenberg als auch T.Raumschmiere sind Pioniere der elektronischen Klangerzeugung, jeder nur eben auf seine sehr spezielle Weise. T.Raumschmiere alias Marco Haas, Chef von Shitkatapult, lässt schon im Titel seines mittlerweile sechsten Albums die Zielgruppe nicht im Unklaren darüber, was Ihr bevorsteht: „I Tank U“ ist ein Hinweis auf die von den Briten im ersten Weltkrieg fälschlicherweise Tanks gerufenen deutschen Panzer – und wie von einem solchen soll auch der Hörer überrollt werden. Folglich ballern die Beats wie – um im Kriegsbild zu bleiben – eine AK-47 und die Sounds sind Bombe. Ääh, lassen wir das. „I Tank U“ ist eine postmoderne Schlachteplatte (nicht schon wieder!) mit Rap-Einlagen (die Puppetmastaz sind zu Gast), Ausflügen in die Ästhetik der New Wave, ein bisschen Soul, natürlich auch mal Techno, nicht zu vergessen Schweinerock oder ehrfurchtsvolle Verbeugungen vor Prince. Das Erstaunliche aber spielt sich auf anderer Ebene ab, nicht im Klang, sondern in der Struktur: Haas hat Songs geschrieben und eine Band zusammengestellt, verabschiedet sich in Stücken wie „What Are You Talking About?“ vollends vom Track und landet beim Hardcore-Punk, knarzende Gitarren und hysterischer Kreischgesang inklusive. In dem irren Kneipen-Lamento „Brenner“ wird mit Unterstützung von Deichkind sogar Deutsch gesungen. Das Ganze mag in großen Teilen immer noch am Computer entstehen, klingt aber doch eher nach schimmeligen Übungsraum und vollem Bierkasten.

Als T.Raumschmiere noch nicht mal alt genug war, um legal Alkohol zu kaufen, hatte Ralf Schmidt bereits zweieinhalb Karrieren in zwei Ländern absolviert. Seine größte Leistung bleibt, dass er den Sound der drögen Stern Combo Meißen modernisieren half, als die ihn unter seinem Pseudonym IC Falkenberg 1983 als Sänger verpflichtete: Aus pathetischem Mystik-Rock wurde passabler Synthie-Pop. Das Problem war nur, dass mit der Wende eine DDR-Variante von Depeche Mode obsolet wurde. Seitdem versuchte sich IC an einer Mischkalkulation: Einerseits mit Stern Meißen Butterfahrten zu den alten Ostrock-Fans, andererseits der Versuch, sich als Solist zu etablieren. Seit den Neunzigern veröffentlicht er regelmäßig Alben, die eine kleine, aber treue Anhängerschaft erreichen, denen ihr alter Liebling IC nun den Liedermacher und Poeten gibt. Dabei ist er auch auf „So nah vom nächsten Meer“ nicht immer stilsicher („Wir trinken ein Glas unverschnittenen Stolz, wir sind das Parfüm unserer Tage“), spielt viel Klavier und mischt mitunter noch ein paar niedliche elektronische Experimente ins weitgehend Balladeske. Darauf kann sich IC Falkenberg nun konzentrieren: Unlängst feuerte ihn Stern-Meißen-Boss Martin Schreier. THOMAS WINKLER

T.Raumschmiere: „I Tank U“ (Shitkatapult/Alive)

IC Falkenberg: „So nah vom nächsten Meer“ (Mollwerk/ Buschfunk), Record Release Party am 19. 9. im Freiheit 15

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