: Merkwürdige Milde
Zwei besoffene Ausländerhasser bedrohen in der Straßenbahn einen Gambier – ihre Strafe fällt gering aus
Wer von einem deutschen Gericht wegen Volksverhetzung verurteilt wird, muss mit einem Strafmaß zwischen drei Monaten und fünf Jahren Haft rechnen. Es sei denn, man hat sich vor der Tat zugesoffen. Dann greift der Paragraf 21 StGB: „Verminderte Schuldfähigkeit“ wird attestiert.
Ein Musterbeispiel für diese Volte der Rechtssprechung gab es gestern vor dem Bremer Amtsgericht zu studieren. Der 27-jährige Norman N. und der 22-jährige Martin M. waren angeklagt, im April 2002 in der Straßenbahn-Linie 4 zusammen mit anderen meist Kahlgeschorenen einen jungen Gambier „aus ausländerfeindlichen Gesinnung heraus grundlos“ als „Nigger, Scheißnigger und Arschloch“ beschimpft zu haben. Beim Aussteigen sollen sie versucht haben, den Schwarzen gewaltsam mit aus dem Wagen zu ziehen.
Während der Gefreite M., der etwa drei Promille im Blut hatte, beteuerte, von dem Vorfall nichts mehr zu wissen, konnte sich der arbeitslose Familienvater N., dessen Alkoholwert unter zwei Promille gelegen hatte, noch gut erinnern: Freimütig räumte N. ein, den Gambier beleidigt zu haben. Auf die Frage, was er gegen Schwarze habe, sagte N.: „Ich mag sie einfach nicht, genauso wie ich Spaghetti nicht mag.“ Seine Mutter habe ihm „beigebracht, dass die Schwarzen lieber da bleiben sollen, wo sie hingehören – in ihrer Gegend“. Gegen den Gambier persönlich habe er nichts, er habe „was gegen diesen Volksstamm“.
N. wurde jetzt „wegen Volksverhetzung und Beleidigung“ zu 45 Tagessätzen, M. wegen „fahrlässigen Vollrausches“ gar nur zu 30 Tagessätze verurteilt – jeweils à acht Euro. Obwohl beide vorbestraft sind und „das Unrecht ihrer Tat nicht wirklich einsehen“, war Richter Friedrich Wulf merkwürdig milde gestimmt: „Für beide spricht ihre Alkoholisierung“, begründete er die geringen Strafen. Das Gericht gehe davon aus, „dass es sich um einen alkoholbedingten einmaligen Ausrutscher gehandelt hat“. jox
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