Gianrico Carofiglio, Autor: Der Preis für ein Leben in Kriminalität
Süditalien, Kriminalität, Mafia – eine Assoziationskette, mit der sich unzählige Kriminalromane vollstopfen lassen, die getrost in Neapels Müllbergen versinken können. Nicht bei Gianrico Carofiglio: Der Italiener erhielt jetzt den renommierten Radio Bremen Krimipreis dafür, dass er, „obwohl er im Hauptberuf Staatsanwalt ist“, wie die Jury hervorhebt, und genug Stoff auf Lager hätte, seine Heimatstadt Bari nicht als Sündenpfuhl der organisierten Kriminalität beschreibt.
Stattdessen werden von der Krimipreis-Jury Carofiglios Fähigkeiten gelobt, Einblick in die „Tücken und Schlupflöcher“ der italienischen Justiz zu gewähren und ein „Sittengemälde des zeitgenössischen Italiens“ zu zeichnen: eine voreingenommene Justiz und eine „im Verfall begriffene Zivilgesellschaft“.
Carofiglio wurde am 30. Juni 1961 in Bari, der Hauptstadt Apuliens geboren und hat dort zunächst als Richter und Staatsanwalt gearbeitet. Seine gesammelten Erfahrungen wurden später gerne vom italienischen Parlament in Anspruch genommen: als Berater der Kommission gegen organisierte Kriminalität, oder in der so genannten „Anti-Mafia-Kommission“.
Als vielgefragter Mann ist er heute im Ruhrgebiet zu sehen. Nicht als Mafia-Staatsanwalt in Duisburg, sondern beim Krimifestival „Mord am Hellweg“ in Hamm. Dort wird er aus drei seiner bisher auf Deutsch erschienenen Werke vortragen: „Reise in die Nacht“, „Im freien Fall“ und „Das Gesetz der Ehre“ – allesamt bis an den Rand mit Spannung und Sozialkritik gefüllt.
Carofiglios neues Amt als Senator der „Partido Democratico“, in der zweiten Kammer des italienischen Parlaments füllt ihn selbst voll aus und er schreibt dennoch weiter. Sein nächstes Buch soll aber kein Krimi werden. „Il passato è una terra straniera“ wird in der deutschen Fassung „Die Vergangenheit ist ein unbekanntes Land“ heißen und passt laut Carofiglio eher in die Kategorie Bildungsroman: Ein strebsamer Jura-Student lässt sich zu Taten wie dem Glücksspiel verleiten. Und da ist sie wieder: italienische Kleinkriminalität statt Müllmafia.
ASCAN DIEFFENBACH
Fotohinweis:GIANRICO CAROFIGLIO, 47, hat Bücher über Verhörtechniken und Aussagepsychologie veröffentlicht. Foto: RB
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen