Preiswerter Staat

Wenig Steuern, hohe Sozialabgaben: Deutschland liegt bei Gesamtbelastungen im OECD-Mittelfeld

BERLIN taz ■ Zunächst klingt es wie eine Erfolgsmeldung: Deutschland hatte im vergangenen Jahr im europäischen Vergleich die niedrigste Steuerquote. Mit 21,7 Prozent lag die Bundesrepublik noch vor der Schweiz (22,6 Prozent) und weit vor Ländern wie Frankreich (28,9 Prozent) oder Großbritannien (31 Prozent). Die Steuerquote gibt das Verhältnis zwischen Bruttoinlandsprodukt und Steuereinnahmen wieder. Auch 2000 gehörten die Deutschen mit 23 Prozent Steuerquote zu den „Klassenbesten“ in Europa und bewegten sich nur knapp hinter den Vereinigten Staaten (22,7 Prozent). Die Zahlen basieren auf einer Studie der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

Allerdings sagt diese Globalzahl nichts darüber aus, ob die Steuerlast unter den einzelnen Bürgern gerecht verteilt ist. Hinzu kommt, dass zwar die Steuern „für die Bürger eine preiswerte Veranstaltung sind“, wie es Manfred Schlecht von der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di nennt. Doch die Belastungen durch die Sozialversicherung seien „zu groß“. Nicht zuletzt weil damit die Lasten der deutschen Einheit mitfinanziert wurden. „Ansonsten könnten die Sozialversicherungsbeiträge 2,5 Prozent niedriger liegen“, betont Schlecht.

Wenn Steuer- und Sozialabgaben addiert werden, ist Deutschland laut der OECD-Studie denn auch nicht mehr Spitzenklasse: 2001 lag man mit einer Quote von 36,4 Prozent im Mittelfeld. In Europa hatten Spanien, Schweiz und Irland bessere Quoten, schlechter schnitten dagegen Großbritannien, Italien und Frankreich ab. Für die USA gibt es zwar nur Zahlen von 2000, doch daraus ergibt sich eine Gesamtbelastung von 29,6 Prozent.

Auch das sagt nichts darüber aus, wie hoch deutsche Arbeitseinkommen wirklich belastet sind. Ottheinrich von Weitershausen vom Bundesverband der deutschen Industrie rechnet vor, dass „er von 1 Euro Gesamtlohn der Arbeitnehmer nur 52 Cent sieht.“ 48 Cent gingen als Steuern sowie als Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeitrag an die Sozialversicherungen vom Gesamtlohn ab. Diese Belastung sei eindeutig „zu hoch“.

Dieser Meinung ist auch Finanzminister Hans Eichel (SPD). Er definierte als „die zentrale Aufgabe der deutschen Politik in der laufenden Legislaturperiode“, dass die sozialen Sicherungssysteme reformiert werden. Dabei sollten allerdings nicht Steuereinahmen herangezogen werden, um die Sozialabgaben zu senken. Das sei ein „Verschiebebahnhof“. DIETER GLÄSENER