: Wahlsieger Balkenende in Nöten
Bei den Parlamentswahlen in den Niederlanden behaupten sich die Christdemokraten als stärkste Partei, doch die Sozialdemokraten legen kräftig zu. Die Liste Pim Fortuyn verliert sechzehn Mandate. Die Regierungsbildung wird schwierig
von HENK RAIJER
Die Niederländer haben mit ihrem Votum die alte Ordnung wieder hergestellt. Sieger der Parlamentswahl vom Mittwoch, die nach dem frühzeitigen Aus der Mitte-rechts-Koalition unter Einschluss der rechtspopulistischen Liste Pim Fortuyn (LPF) notwendig geworden war, sind die Christdemokraten (CDA) und die Sozialdemokraten (PvdA). Der CDA von Ministerpräsident Jan Peter Balkenende konnte mit 44 (von 150) Sitzen ihr Ergebnis von Mai 2002 (43) bestätigen, die PvdA meldete sich nach dem Absturz des letzten Frühlings (23 Sitze) auf sensationelle Weise zurück und kam auf 42 Mandate.
Die großen Verlierer sind Premier Balkenendes bisherige Partner. Die Rechtsliberalen (VVD) werden sich trotz eines Zugewinns von 4 Mandaten (28), wie es zunächst den Anschein hat, mit einer Rolle in der Opposition begnügen müssen. Die LPF, die noch im Mai das Land so beispiellos polarisiert hatte, wurde für ihre Inkompetenz während der nur dreimonatigen Regierungsarbeit abgestraft. Die Partei musste von ihren 26 Sitzen über die Hälfte wieder abgeben. Sie hat jetzt nur noch 10.
Der Durchmarsch der PvdA hatte sich erst eine Woche vor den Wahlen angekündigt. Noch Anfang Januar lag die Partei von Expremier Wim Kok in den Umfragen mit 27 Sitzen weit abgeschlagen auf Rang drei. Mehrere TV-Duelle, in denen der neue Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, Wouter Bos (39), eindeutig punkten konnte, sowie die vorzeitige Festlegung Balkenendes auf eine Weiterführung der Koalition mit den Rechtsliberalen, wenn auch möglichst ohne die Fortuyn-Partei, haben den amtierenden und voraussichtlich neuen Regierungschef um seine Wunschkoalition gebracht.
Er sei „stolz wie ein Vater“, bekannte Wim Kok von der PvdA. „Wir sind wieder da, und das ist Wouter Bos’ Verdienst“, sagte der Expremier. Während Bos, der die PvdA-Fraktion führen wird, das Wahlergebnis als „klaren Auftrag für ein stabiles und progressives Kabinett“ interpretiert und Balkenende noch am Abend zu einer Koalitionsaussage drängte, gibt sich dieser wie gewohnt nebulös. Er könne zwar das Wählervotum nicht ignorieren, sagte Balkenende. „Es wäre nicht glaubwürdig, in derselben Kombination weiterzumachen.“ Aber eine Zweiparteienregierung sei „nicht das höchste aller Ziele“. Sogar eine Koalition mit der linksliberalen D 66 (6 Sitze) könne er sich vorstellen, wenn auch deren Fraktionschef erklärt hat, bei weniger als den bisherigen 7 Mandaten komme das für ihn nicht in Frage.
Damit hat Balkenende angedeutet, dass er sich die Option offen halten möchte, nach einem möglichen Scheitern der Koalitionsgespräche mit den Sozialdemokraten am Ende doch wieder mit den Rechtsliberalen zu verhandeln. Zwar reicht es für CDA und VVD allein nicht für eine Mehrheit – sie verfügen über 72 Sitze. Aber wie schon vor der Wahl mag Balkenende eine erneute Liaison mit den Fortuyn-Erben nicht von vornherein ausschließen.
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