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Toleranz ja, Verständnis nein

Gegen Diskriminierung, für mehr Akzeptanz: Beim Tag der offenen Moschee treffen sich Homosexuelle und Muslime zum Dialog. Bei aller Höflichkeit zeigt die Begegnung aber auch, dass es nach wie vor an Verständnis mangelt

Die 17-jährige Betül wählte ihre Worte mit Bedacht. Nein, sie finde es nicht schlimm, wenn jemand lesbisch oder schwul sei. „Das ist seine eigene Entscheidung“, sagt die junge Frau mit dem Kopftuch. Toleranz, Respekt, anti Diskriminierung – die Begriffe fielen am Freitag beim „Tag der offenen Moschee“ am Columbiadamm am laufenden Band. Schwule und Lesben waren speziell in die Moschee eingeladen worden, und sie sollten sich willkommen fühlen.

Vor lauter Friede und Freude schien fast vergessen, dass es für den anberaumten Dialog zwischen Homosexuellen- und Muslimverband einen ernsten Hintergrund gab: Gerade Jugendliche mit Migrationshintergrund haben laut Studienergebnissen mehr Vorbehalte gegen Schwule und Lesben als deutsche Gleichaltrige. Junge Schwule und Lesben wiederum, die etwa aus der Türkei stammen, bekommen hier oft immense Probleme mit Eltern und Kirchengemeinde.

„Wir suchen den offiziellen Dialog mit der islamischen Gemeinde, um diese Probleme anzusprechen und Lösungsansätze zu diskutieren“, sagte Bali Saygili, Leiter von Miles – Zentrum für Migranten, Lesben und Schwule. „Wir wollen nicht provozieren, sondern sensibilisieren. Es geht um Respekt.“ Über die Einladung zeigte sich Saygili erfreut – sie sei ein bemerkenswerter Schritt.

Die migrations- und integrationspolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, Bilkay Öney, bekräftigte, dass sich der türkisch-islamische Moscheeverein Ditib bewegt habe. „Die Ditib-Gemeinde hat sich dadurch sehr offen gezeigt, und das ist ein Anfang“, sagte sie in der Sehitlik-Moschee am Flughafen Tempelhof. Auch der Integrationsbeauftragte des Landes, Günter Piening, hatte zuvor den Tag der offenen Moschee als Beitrag gewürdigt, gegenseitige Vorurteile abzubauen.

Nach einer Führung durch die Moschee setzte sich ein knappes Dutzend Vertreter des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD) mit Bekir Alboga zusammen, dem Referatsleiter für Dialog bei der Gemeinde. „Wir müssen Eltern dazu bringen, dass sie Jugendliche selbst über deren sexuelle Orientierung entscheiden lassen“, sagte Saygili, an die Adresse Albogas gerichtet. Junge schwule oder lesbische Migranten dürften ihr Coming-out nicht damit bezahlen müssen, dass sie zwangsverheiratet oder von der Familie verstoßen werden. Der Ditib-Vertreter äußerte sich nicht konkret zu den angesprochenen Problemen. „Sie werden in keiner einzigen Freitagspredigt finden, dass man Homosexuelle verfolgen soll“, sagte Alboga. Eine spezielle Homophobie unter Muslimen sieht er nicht. „Es gibt verschiedene Phobien, das ist keine spezifisch muslimische Angelegenheit, sondern muss global betrachtet werden.“

Alles kein Problem also? Die muslimischen Gemeindemitglieder, die im Innenhof der Moschee beieinandersaßen und die Besucher beobachteten, äußerten sich differenzierter. Immerhin sei Homosexualität auch in der katholischen Kirche nicht erwünscht, sagte Abdul Yener. „Das ist von der Natur nun einmal nicht so vorgesehen.“ Der 34-Jährige Wirtschaftsinformatiker hat zwar im Kollegenkreis einige Homosexuelle und schätzt sie als Menschen durchaus. „Wenn aber mein Sohn ankäme und sagte, er sei schwul, dann würde ich mich darüber schon nicht freuen.“

Von Gewalt grenzte er sich klar ab, von Ehrenmorden hielt er nichts. Auch würde er seinen Sohn nicht verstoßen, sondern ihn mit Argumenten zu überzeugen versuchen. Er habe seinem Glauben gemäß nicht das Recht, andere zu verurteilen, sagte Yener. Sein Bekannter Musa ergänzte: „Aber dass ich Homosexuelle mit offenen Armen empfange, das kann man nun wirklich nicht von mir erwarten.“

KRISTINA PEZZEI

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