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Eine Datenbank mit Bildern aller Bremer Häuser und Straßen soll Behörden und Politikern lästige Wege ersparen. Beiräte sollen zahlen – und dafür kassieren dürfen, wenn die Daten an andere verkauft werden

„Viele Beiräte glauben, sie hätten eine Goldader angebohrt.“

taz ■ Bremen von vorne und von hinten – Jens Knudtsen, beim Innenressort für die Beiräte zuständig, hat die Bilder alle im Gepäck. Seit Wochen tourt er durch die Stadtteil-Parlamente, wirbt um Geld für ein umstrittenes Projekt: „City-Server“. Ob die Straße gepflastert, die Fassade schützenswert, das Straßenschild korrekt aufgestellt ist – all das sollen Beiräte und Behördenmitarbeiter in Zukunft vom Schreibtisch aus überprüfen können – für nahezu jeden Punkt in Bremen. „Das macht viele Ortstermine überflüssig“, prophezeit der Neustädter Ortsamtsleiter Klaus-Peter Fischer und hofft auf Zustimmung auch der Woltmershauser Beiräte nächsten Montag. „Nichts geht über hinfahren und selbst angucken“, sagt hingegen Klaus Auf dem Garten (SPD) aus dem Beirat Mitte.

Zwei Wochen lang fuhr im November ein Aufnahme-Fahrzeug der Firma Tele-Info aus Garbsen die rund 1.100 Kilometer Bremer Straßen ab. 13 Kameras filmten Häuser, Straße und Verkehrszeichen, 25 Bilder pro Sekunde. Das System könnte bereits Anfang März in Betrieb gehen.

Der „City-Server“ sei „datenschutzrechtlich völlig unproblematisch“, sagt Tele-Info-Vertriebsleiter Felix Goldmann. Personenbezogene Daten seien nicht enthalten. „Wir liefern nur Bilder mit Geo-Koordinaten“, sagt Goldmann. Die Stadt habe aber Software, um diese Bilder mit anderen Daten zu verknüpfen. Erst dann nämlich, das weiß auch Goldmann, ist die Datensammlung wirklich von Nutzen – und datenschutzrechtlich möglicherweise bedenklich. Mindestens mit den Daten des Katasteramtes ist diese Verbindung in Bremen bereits geplant. Nach Eingabe von Straße und Hausnummer könnte so nicht nur das Bild des Gebäudes, sondern etwa auch der Name des Eigentümers angezeigt werden.

Die Hälfte der rund 60.000 Euro Investitionskosten für Nutzungs-Lizenz und Bilder-Server wollen sich Innen- und Bauressort aufteilen, den Rest sollen die Beiräte zuschießen – je nach Beirat zwischen 1.000 und 1.500 Euro. Neustadt, Obervieland und die Parlamente in Bremen-Nord haben bereits zugestimmt, auch der Beirat Östliche Vorstadt sprach sich Ende letzten Jahres mit einer Stimme Mehrheit für die Bild-Datenbank aus. Die Grenze zwischen BefürworterInnen und GegnerInnen, sagt Beirats-Sprecher Ulrich Römhild (SPD), verlief „quer durch alle Parteien“.

Von besonderem Reiz für die Stadtteil-ParlamentarierInnen ist das exklusive Recht auf Weitervermarktung der Daten, das das Innenressort mit Tele-Info ausgehandelt hat. Bremer Firmen, die die Bilder für ihre Zwecke nutzen wollen, müssten die Lizenz dafür beim Innenressort erwerben. Neben Tele-Info, so das verlockende Versprechen, sollen dann auch die Beiräte und Behörden an den Einnahmen beteiligt werden – entsprechend ihrem Anteil an der Finanzierung. Einige Beiräte haben dem Vernehmen nach bereits signalisiert, für unwillige Parlamente aus anderen Stadtteilen einzuspringen. „Viele glauben, man hätte eine Goldader angebohrt“, sagt Röhling.

Kritiker halten die Gewinn-Hoffnungen der Beiräte indes für an den Haaren herbeigezogen. Bevor bei Beiratssitzungen virtuelle Stadtrundgänge über die Leinwand flimmern, müssten die Ortsämter zudem noch neue Computer und einen Beamer anschaffen – und einen leistungsfähigen Anschluss ans Behördennetz bekommen.

Armin Simon

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