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Schwarzbrot für den Frieden

Die Friedensbewegung formiert sich. Neben den Aktivitäten soll auch die Theorie nicht zu kurz kommen. Hajo Funke, Politologe und Autor des Buchs „Der amerikanische Weg“, überzeugte bei einer Diskussionsrunde im Tempodrom

Die Abendveranstaltung im Tempodrom zeigt vor allem eins: die Mühen der Friedensbewegung, sich neu zu formieren, nachdem sie mit dem Ende des Kalten Krieges fast verschwunden war. Nur 50 Menschen kamen, um sich von Aktivisten, Wissenschaftlern und einem Prominenten, dem Tatort-Kommissar Jochen Senf, „alteuropäische Antworten“ zu Fragen bezüglich des Irakkrieges geben zu lassen.

Der Krieg gegen den Irak soll verhindert werden. Das ist das Anliegen der großen Mehrheit der Deutschen. Selbst das Hin und Her, das Schröder in Bezug auf die amerikanischen Kriegspläne an den Tag gelegt habe, wurde von dem Politologen Hajo Funke dahin gehend korrigiert, dass er wisse, dass Schröder aus existenziellen Gründen von Anfang an dagegen war. Warum er diese nicht entschiedener angibt? Eine offene Frage.

Der Professor an der Freien Universität hat in seinem Vortrag, der als „Schwarzbrot des Abends“ angekündigt wurde, die Rede George Bushs an die Nation analysiert. Die Wortwahl des Präsidenten, die voll sprachlicher Dekoration mit in sich polarisierender Logik ist, in der Gutmenschen auf das Böse treffen, wird von Funke auf ihren ideologischen Gehalt geprüft. Es verstecke sich eine verdrehte moralische Begründung darin: Zuerst wird in der Rede das Böse definiert. Nicht „etwas Böses“, sondern „das Böse“ an sich. Es ist Saddam Hussein. Impliziert aber wird: Wer etwas gegen das Böse, den irakischen Diktator, unternehme, tue damit automatisch etwas Gutes. „Wir“, sagt Bush, werden zur Speerspitze dieser Gutes-Tuer. „Wir werden eine Kooalition anführen, die ihn entwaffnet.“ Bush vereinnahmt seine Landsleute. Er sagt nicht, dass er in Wirklichkeit der Anführer sei. Wer in der Koalition mit drin ist, bleibt ebenso offen. Noch schlimmer: Die in sich verdrehte Logik des Gesagten erlaubt es Bush gar abzuleiten, dass „uns“ der Krieg aufgezwungen werde, weil das Böse ja schon da ist, und dass der Krieg deshalb gerecht sei. „Autoritäre Propaganda“ werde so etwas genannt. Das Ganze sei ein „pathetischer Aufruf zum Krieg“, meint Funke, zumal Saddam die Gefahr, die Bush beschwört, nicht darstelle. Schon gar nicht für die USA.

Eine weitere Frage, die Funke aufwirft: Was wird politisch damit bezweckt, dass am 5. Februar neue Beweise angekündigt werden, die Saddam Husseins Schuld beweisen sollen? Zum Ersten werde damit der Stundenplan diktiert. Zum anderen aber müsse gefragt werden, warum die Information, die sich aus Sicht Bushs als Beweis eignet, nicht der Blix-Kommission zur Prüfung weitergeleitet werde. Die Waffeninspektoren sind das international legitimierte Gremium, Beweise vorzulegen. Für Funke drängt sich ein Schluss auf: Es gehe darum, die Inspektoren auszuschalten und die UNO auszumanövrieren. So werde der Angriffszeitpunkt beschleunigt. Denn die sich allmählich formierende Friedensbewegung in den USA und die sinkenden Umfragewerte des Präsidenten scheinen im Angriffsszenario hinderlich. Man könne sich nichts vormachen: „Es wird ein Angriffskrieg sein, der den Beginn des Endes der internationalen Rechtsordnung und das Ende der UNO einleitet.“

An Funkes Analyse reichten die nachfolgenden Beiträge nicht heran. Das Konzept der Veranstalterin Eva Quistorp, den Krieg in Tschetschenien, die Angst um Israel und die Hoffnung, die die amerikanische Friedensbewegung in die Deutschen setzt, zu verbinden, legte Befindlichkeiten offen, wo es doch eigentlich um Inhalte ging.

WALTRAUD SCHWAB

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