: Polit-Statements
„Wir sind globalweit online virtual, wie’s Weltmenschheit sonst ergeht, ist uns scheißegal“ (Die Goldenen Zitronen)
Spätestens seit dem Weltwirtschaftsgipfel in Seattle befinden sich neue soziale Bewegungen wie Attac im Aufwind. Auch die Frage nach der politischen Wirkung von elektronischer Musik kann jetzt neu gestellt werden. Darf man noch ernsthaft daran festhalten, dass elektronische Musik an sich subversiv sei, bloß weil sie die Produktionsmittel in die Hand des Wohnzimmerfreaks legt? Eine typische Position der Neunzigerjahre glaubte daran, dass allein schon das Herausbrechen von Samples aus ihrem Kontext einen Akt der Dekonstruktion darstellt – die Infragestellung der herrschenden Ordnungen im Kleinen, sozusagen. Das US-amerikanische Künstlerkollektiv Ultra Red geht einen Schritt weiter. Schon ihr Ausgangsmaterial stammt aus politischen Zusammenhängen, beispielsweise aus „field recordings“ am Grenzzaun zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten. Damit findet nicht nur der zeitliche und räumliche Kontext der Samples Eingang in ihre Collagen, sondern auch eine semantische Ebene, die ein politisches Statement ermöglichen kann. Die Geräusche erzählen von den Zusammenhängen, aus denen sie stammen, gleichzeitig lässt ihre Fragmentierung und Neuordnung die Möglichkeit zu, dass andere Zusammenhänge durchschimmern. Aber kann eine solche Musik auch als politisch verstanden werden, ohne Gebrauchs- und Höranweisungen mitliefern zu müssen? Kann sie einen Beitrag zu einer politischen Bewegung leisten? Kann sie vielleicht sogar selbst politisch bewegen? Die taz und der club transmediale laden am Sonntag zu einer Diskussionsveranstaltung, in der diesen Fragen nachgegangen werden soll. Gäste in der Diskussionsrunde sind der Autor Diedrich Diederichsen, Ted Gaier (Die Goldenen Zitronen), die de:bug-Herausgeberin Mercedes Bunz, Peter Kraut, Autor der Neuen Zürcher Zeitung und Veranstalter des Taktlos-Festivals Bern, sowie ein Mitglied von Ultra Red. Moderieren wird der taz-Autor Sebastian Handke. Anschließend werden Künstler aus Israel, Italien, Slowenien, den USA und Deutschland verschiedene Ansätze einer musikalisch-politischen Praxis präsentieren. SH
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