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Von Vogelfreien und Tagelöhnern

Dass demnächst „Ich AGs“ auf den Markt drängen, hat die Spitze der Gewerkschaft Ver.di mit abgesegnet. Nun versucht die Basis, diese Entwicklung abzufedern – die Rechte von Festen und Freien müssten als Paket verhandelt werden

FRANKFURT taz ■ Als „Vogelfreie“ oder „künstlerische Tagelöhner“ bezeichnen sie sich selbst. Als „freie und nicht betriebsgebundene Mitglieder“ hatte Ver.di Hessen die freien Journalisten des Landes in Frankfurt geladen, um ihre Arbeitsbedingungen zu diskutieren. Das Ziel: die Vermittlung zwischen Freien und fest angestellten Auftraggebern, da in der kriselnden Branche „freie Mitarbeiter immer stärker an den Rand“ gedrückt würden.

Rechte von Festangestellten und Freien müssten gemeinsam als Paket geregelt werden, forderte der Rechtsanwalt Gerd Nies, der für Ver.di die Verhandlungen leitete. Und nannte Beispiele: Während den Sozialplanverhandlungen bei der Deutschen Welle etwa habe man mit politischem Druck und ohne Rechtsgrundlage Abfindungsleistungen auch an Freie durchsetzen können. Bei den Fusionsverhandlungen von SFB und ORB habe man nicht nur betriebsbedingte Kündigungen abwenden können, sondern zudem eine Beschäftigungsgarantie für Freie erreicht, Aufträge im bisherigen Umfang zu erhalten. Auch bei der Süddeutschen Zeitung habe der Betriebsrat verhindern können, dass die Verleger sich Verwertungsrechte der Freien aneigneten. Konkurrenzschutz und kollektive Honorarschutzregelungen müssten her, so Nies – für Ärzte, Anwälte oder Handwerker würden dies längst die Kammern und Interessensverbände gewährleisten.

Das Thema „freie Mitarbeiter“ sei bei der Frankfurter Rundschau derzeit kein Sujet, so der Betriebsratsvorsitzende Viktor Kalla gegenüber der taz. Es obliege den Redaktionen, ob und in welchem Maße freie Mitarbeiter eingebunden werden: „Diese tun jedoch bisweilen so, als ob sie ihr eigenes Geld ausgeben“, so Kalla.

Der Betriebsrat der FR werde jedoch auch weiterhin die Interessen der Freien vertreten. Trotz unsicherer Rechtslage: In Hessen weigern sich die Verleger, einen Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Beschäftigte bei Tageszeitungen zu unterschreiben.

Während sich aber hauptamtliche Gewerkschaftsfunktionäre und Betriebsräte vor Ort im Einzelfall redlich um Entschärfung der sozialen Schieflage von Freiberuflern mühen, werden genau diese Bemühungen ausgerechnet von der Gewerkschaftsspitze hintertrieben: Dass Hartz’sche „Ich-AGs“ den Markt überrollen werden, das hat Isolde Kunkel-Weber (Ver.di-Vorstandsmitglied und Mitglied der Hartz-Kommission) unterschrieben und befürwortet. Auf einer Veranstaltung im Frankfurter DGB-Haus wurde sie dafür ausgebuht.

Künftig wird – im Gegensatz zu der an der Basis diskutierten Konkurrenzbereinigung – eine Flut von neuen unfreiwilligen „Selbstständigen“ den Markt überschwemmen. Der Sprecher der Freien in Hessen, Horst Senger, fällt ein klares Urteil: Es gehe darum, „eine große Anzahl frei verfügbarer, billiger, anpassungswilliger und bis zur Selbstaufgabe bereiter Arbeitskräfte heranzubilden, um so die Verwertungsbedingungen für die Unternehmen zu optimieren“.

Fazit: Gewerkschafter an der Basis hadern mit der unsicheren Rechtsgrundlage der Freien, derweil ihre Chefs eine Politik betreiben, diese wacklige Grundlage noch weiter zu destabilisieren. GITTA DÜPERTHAL

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