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„Es muss weitergehen“

Allein erziehende Frauen zählen nicht zu den Begehrtesten auf dem Arbeitsmarkt. Die Fraueninitiative Quirl hilft ihnen, dennoch einen Weg zu finden – das hilft, auch wenn am Schluss Absagen drohen

taz ■ Petra Lindemann hat Pech gehabt. Man könnte auch sagen: Sie hat die Arschkarte gezogen. „Genau so sieht’s aus“, sagt Petra Lindemann dazu, „ich bin eine allein erziehende, langzeitarbeitslose Bremerin“. Dass sie alleine für ihre zwei Kinder sorgen muss, zwang sie in die Arbeitslosigkeit. Bis vor knapp zwei Jahren. Seither arbeitet die 38-Jährige bei der Fraueninitiative Quirl. In einer von fünf Vollwertküchen, die Quirl betreibt, schnippelt die gelernte Malerin und Lackiererin heute Möhren, kocht Kartoffeln und alles, was in den Kindergärten, die Quirl beliefert, sonst noch gegessen wird, „ganz frisch auf den Punkt.“ Sie hat inzwischen alles über das Funktionieren einer Großküche gelernt, „von der Pike auf“.

Ende April ist für Petra Lindemann Schluss. Dann endet ihre BSHG-19-Stelle bei Quirl. „So bald schon“, sagt sie und runzelt die Stirn. Regine Geraedts, Geschäftsführerin von Quirl, lächelt zwar dazu. Aber eine Maßnahmendauer von einem Jahr, erklärt sie, sei optimal. Ein halbes Jahr – das ist die aktuelle Direktive der Bundesanstalt für Arbeit für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) – lohne kaum. „Da haben sich die Frauen gerade mal eingearbeitet, dann ist es schon wieder vorbei“, so Geraedts. Zwei Jahre aber seien fast zuviel, „dann tritt der Effekt ein, dass man sich bei uns zu wohl fühlt.“ Wohlfühlen soll man sich bei Quirl durchaus, aber schlussendlich soll der erste Arbeitsmarkt im Visier bleiben.

85 Beschäftigungsmaßnahmen waren es im vergangenen Jahr, die Quirl in seinen Küchen, seiner Dienstleistungsagentur Q-rage und seinen Kinderhäusern organisiert hat, davon 19 ABM, fünf Strukturanpassungsmaßnahmen (SAM) und 65 BSHG-19-Stellen. Seit einer Woche nun weiß Regine Geraedts, mit welchen Zahlen der Träger in diesem Jahr umgehen muss: Nur noch 45 BSHG-19-Stellen werden über Quirl laufen, nach wie vor 19 ABM und drei SAM. Geraedts: „Wie wir damit wirtschaften, kann ich noch nicht sagen.“

Die meisten Frauen bei Quirl, knapp 95 Prozent, haben keinen Abschluss, 80 Prozent haben Kindern, 60 Prozent sind allein erziehend. Neben der beruflichen Qualifizierung bietet Quirl Sprachkurse, Alphabetisierungskurse, Berufsorientierung und Bewerbungstraining an.

Ein Viertel der Teilnehmerinnen, so die Vorgabe aus dem Ressort, soll nach ihrer Quirl-Zeit auf dem ersten Arbeitsmarkt unterkommen – tatsächlich waren es im vergangenen Jahr 18,6 Prozent. Damit liege Quirl, gemessen an anderen Beschäftigungsträgern, im Mittelfeld, so Geraedts. „Ich finde es abartig, an diesen 25 Prozent gemessen zu werden“, schimpft sie, „jeder weiß doch, dass als erstes die Frauen nach Hause geschickt werden, wenn der erste Arbeitsmarkt zusammenbricht.“ Sie schweigt kurz. „Da finde ich unsere 18,6 Prozent geradezu gigantisch.“

Petra Lindemann würde gerne dazugehören. Ihre Bewerbungen laufen. Wie stehen ihre Chancen? „Schlecht“ sagt sie. Sie lacht und das klingt ein bisschen bitter. Die Lage in der Gastronomie ist schlecht. Bei Großküchen auch. Aber Petra Lindemann hofft. „Es muss einfach weitergehen“, sagt sie, „positiv denken.“ Das sagt sie noch mal, mehr zu sich als in den Raum. „Ich kann mir nicht mehr vorstellen, von morgens bis abends zuhause zu sein“, sagt sie, erzählt von ihren Kindern und sich, ein eingespieltes Team inzwischen, Kranksein darf nicht lange dauern, „das muss schnell wieder laufen.“ Und es klingt, als sei es gut so, wie die Lindemanns inzwischen zurechtkommen. „Man ist wieder drin. Man wird akzeptiert“, sagt die Mutter, „das kann eine schon nach vorne katapultieren.“ Sie ist entschlossen, sich den Mut nicht nehmen zu lassen, „auch bei 20 Absagen“. Petra Lindemann nickt. Und sagt: „Positiv denken.“

Susanne Gieffers

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