Innovation – was ist das?: Groß ist nicht gleich neu
Kanzler Gerhard Schröders wiederentdecktes Lieblingswort: Innovation (von lat. innovare – erneuern). Im siegreichen Wahlkampf 1998 in der aparten Kombination „Innovation und Gerechtigkeit“ verwendet. Das Wort „innovatio“ taucht erst im Kirchenlatein bei Tertullian (um 200 n. Chr.) auf und meint „Erneuerung“, „Veränderung“.
„Innovation“ klingt immer gut. Wenn ein Politiker „Innovation“ sagt, denken wir an dynamische Forscher, die in hochreinen Labors schnelle Mikrochips züchten, oder an drahtige Abenteurer, die in elegante Raumanzüge schlüpfen. Wir verknüpfen das Wort mit positiven Dingen wie Cleverness, Weisheit und Geschäftstüchtigkeit.
Wenn allerdings Industriepolitiker wie der Kanzler die „Innovation“ in die Finger kriegen, dann gnade uns Gott. Denn dann wird aus Innovation etwas, das man eher „Technologie“ oder schlicht „Großtechnik“ nennen sollte. Innovativ ist, was Eindruck schindet: der Transrapid, eine noch größere Trägerrakete wie die Ariane 5, der schnellste Mikrochip der Welt, ein Telefon, das auch fotografiert und vielleicht noch die Hosentasche bügelt.
Entsprechend werden dann Mittel in diese beeindruckenden Forschungsfelder gepumpt, oder in eine Eliteuni. Doch das muss nicht notwendig zu mehr Innovation führen, ist es doch – wie man weiß – oft die Not, die erfinderisch macht. Insofern ist es nicht selten fehlendes Geld, das zu Innovation anregt.
So könnte etwa ein neuer bemannter Flug zum Mars eine beachtliche Ingenieursleistung werden. Viel innovativer ist es aber, wie schon jetzt, kleine Sonden hochzuschießen, denn mehr als die Roboter können Astronauten dort auch nicht ausrichten. Ein neuer Atomreaktor ist gewiss eine beeindruckende Anlage – innovativ aber wäre, neue Wege zu ersinnen, Strom zu sparen.
Die unspektakulären Wege sind es, die Innovation ausmachen. Nur: mit diesen lässt sich nicht so toll angeben. URB
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