: Schwierige Verhandlungen
Gwerkschaften schlagen weniger Arbeit für gleichen Lohn im öffentlichen Dienst vor. Weihnachts- und Urlaubsgeld sollen tabu sein. Innensenator: Das bringt nur 10 Prozent der geplanten Sparsumme
von RICHARD ROTHER
Am Ende gaben sich Ver.di-Verhandlungsführer Roland Tremper und PDS-Wirtschaftssenator Harald Wolf lächelnd die Hand – von einer Einigung im Berliner Tarifkonflikt sind Gewerkschaften und der rot-rote Senat aber noch weit entfernt. Auch nach der zweiten Verhandlungsrunde, die gestern in der Ver.di-Zentrale in der Köpenicker Straße stattfand, seien die Hindernisse nicht kleiner geworden, hieß es. Die Verhandlungen werden am 19. März fortgesetzt.
Bei den Verhandlungen hatten die Gewerkschaften erstmals ihrerseits dem Senat Vorschläge vorgelegt, wie sie den Tarifkonflikt zu lösen gedenken. Zwar liegen die Gewerkschaftsvorstellungen noch weit entfernt von denen des Senats, Ver.di-Verhandlungsführer Tremper zeigte sich aber dennoch einigungsbereit: „Wir befinden uns in Verhandlungen über einen Anwendungstarifvertrag.“ Dabei seien aber noch eine „Reihe von Hindernissen“ auszuräumen.
Im Einzelnen fordern die Gewerkschaften, den bundesweit geltenden (West-)Tarifabschluss bis Januar 2005 in Berlin zu übernehmen. Dieser sieht Lohn- und Gehaltserhöhungen von bis zu 4,4 Prozent vor. Die Gewerkschaften erklärten sich aber ausdrücklich bereit, darüber zu verhandeln, „dass die Tarifsteigerungen nicht zwingend als Entgelt gewährt werden, sondern auch durch Zeitguthaben abgegolten werden“ können. Im Klartext: Die rund 100.000 betroffenen Beschäftigten erhalten nominal in den nächsten Jahren das gleiche Geld, müssen aber entsprechend weniger arbeiten. Ab 1. Februar 2006 sollen die Berliner Tarife wieder an das Bundesniveau angepasst werden.
Im Gegenzug fordern die Gewerkschaften eine Angleichung der Ost- an die Westbedingungen. Zudem sollen bis zum Jahr 2010 betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen und jährlich mindestens 2.000 Auszubildende eingestellt und anschließend in den öffentlichen Dienst übernommen werden. Einschnitte beim Weihnachts- und Urlaubsgeld lehnen die Gewerkschaften ab. Zudem fordern sie die Rücknahme der Arbeitszeitverlängerung für Beamte. Beamtenrechtliche Regelungen sind zwar nicht Gegenstand der Tarifverhandlungen, könnten aber durch parallele Vereinbarungen eine Rolle spielen. Tremper bezeichnet die Tarifverhandlungen als schwierig. Dabei würden noch eine „Reihe weiterer Runden“ und auch gewerkschaftliche Aktionen nötig werden.
Innensenator Ehrhart Körting (SPD) reagierte zurückhaltend. „Wir sind noch meilenweit auseinander.“ Auch im Jahr 2005 werde Berlin in einer „verzweifelten Finanzsituation“ stecken. Dies müssten die Gewerkschaften berücksichtigen. Der Verzicht auf Gehaltssteigerungen bringe zunächst nur rund 50 Millionen Euro, was sich im Jahr 2006 auf rund 200 Millionen Euro steigere. Der Senat müsse aber 500 Millionen Euro jährlich an Personalkosten sparen. Für die Sicherung der Arbeitsplätze müssten die Beschäftigten einen weiteren Beitrag leisten. Einschnitte beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld seien daher nötig. Auch Streiks brächten nicht mehr Geld in die Landeskassen, erklärte Körting. Der Forderungskatalog der Gewerkschaft müsse bis zur nächsten Gesprächsrunde zunächst geprüft werden. Es werde aber „sehr mühselig“ werden, bei den Verhandlungen zu einer Einigung zu kommen.
Die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienstes waren notwendig geworden, weil der Senat Anfang des Jahres aus den kommunalen Arbeitgeberverbänden ausgetreten war. Der Senat verhinderte damit die Übernahme des in Potsdam vereinbarten bundesweiten Tarifabschlusses.
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