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US-Minister fällt Freihandel wieder ein

Handelsminister Zoellick will mit einem Brief an alle WTO-Mitglieder die geplatzte Handelsrunde wiederbeleben. Der Vorstoß kommt überraschend – denn in den USA wird gewählt. Entsprechend vage allerdings sind auch die Vorschläge des Ministers

VON KATHARINA KOUFEN

In den USA ist Wahljahr – und da steht das Wohl des amerikanischen Wahlvolkes auf der Agenda. Umso mehr überrascht die folgende Nachricht: US-Handelsminister Robert Zoellick setzt sich jetzt persönlich dafür ein, dass die Welthandelsrunde wieder in Gang kommt.

Zu diesem Zweck schickte der schnauzbärtige Amerikaner, der stets leise auftritt, aber als knallharter Verhandler gilt, gestern einen Brief an alle 148 Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO). Darin macht er Vorschläge, wie der Streit um eine weitere Liberalisierung der Handelsströme beigelegt werden kann.

So richtig konkret wird der Handelsminister aber nicht: So will er den Entwicklungsländern entgegenkommen und unter anderem über den Abbau von Subventionen für den Baumwollanbau „nachdenken“. Das Thema liegt vor allem afrikanischen Ländern am Herzen. Die amerikanischen Bauern dagegen beharren auf der staatlichen Hilfe.

Die Verhandlungen stecken seit dem letzten WTO-Ministertreffen im September 2003 in Cancún fest. Dort eskalierten die Animositäten zwischen den verschiedenen Interessenvertretern zum handfesten Krach. Eine Gruppe von 21 Schwellenländern hatte es erstmals in der WTO-Geschichte geschafft, dem Druck der großen Blöcke USA und EU standzuhalten. Gegen die Wünsche aus Brüssel und Washington weigerten sich die 21 Minister, bestimmte Themen auf die WTO-Agenda zu nehmen. Stattdessen forderten sie von den reichen Handelspartnern, sie sollten ihre Zölle auf Agrarprodukte viel weiter als geplant senken.

Seitdem herrschte weitgehend Funktstille. Es gilt mittlerweile als ausgeschlossen, dass die laufende Handelsrunde wie geplant bis 2005 abgeschlossen wird. Die Gespräche sollten eigentlich am 15. Dezember 2003 weitergehen, doch der Termin verstrich, ohne dass das Eis geschmolzen wäre.

Von seinem US-Kollegen Zoellick dagegen gewann man seit September ausschließlich den Eindruck, er konzentriere sich jetzt auf bilaterale Abkommen und regionale Handelsbündnisse. Vor allem in Lateinamerika ist Zoellick derzeit auf der Suche nach Partnern: einerseits für Mini-Freihandelszonen mit zwei Ländern, andererseits zum Vorantreiben der gesamtamerikanischen Handelszone FTAA.

Erfreut reagierte daher gestern WTO-Direktor Supachai Panitchpakdi auf den Vorstoß aus Washington. „Ich begrüße es, dass die USA die WTO-Runde jetzt wieder ganz oben auf ihre Agenda setzen und den Willen zur Führung zeigen“, sagte ein Sprecher des Direktors in Genf auf taz-Anfrage. In Brüssel hieß es gestern, die EU freue sich, dass die USA an den Verhandlungstisch zurückkehrten.

Der Vorschlag Zoellicks, den Entwicklungsländern beim Streit über die Agrarsubventionen entgegenzukommen, sei allerdings nicht neu, schränkte Lamys Sprecherin ein. Die EU hätten bereits früher vorgeschlagen, bei allen Waren, die für Entwicklungsländer wichtig sind, auf Subventionierung zu verzichten. Das müsse allerdings alle Formen der Subventionierung umfassen. So solle nicht nur die direkte Exportunterstützung, wie sie die EU betreibt, wegfallen. Auch verdeckte Subventionen wie Exportkredite – wie sie vor allem die USA vergeben – und Beihilfen an öffentliche Handelsunternehmen sollten künftig verboten sein.

Immerhin verlautete gestern anerkennend in Brüssel: Offenbar sei Washington trotz Wahlkampfjahr bereit sich zu bewegen. Vielleicht schaffen es die WTO-Länder nun tatsächlich, ihr geplatztes Treffen in diesem Dezember in Hongkong nachzuholen. Ihr Terminkalender sieht das jedenfalls vor.

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