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Aristide kündigt Neuwahlen in Haiti an

Oppositionelle glauben ihm aber nicht. Unterdessen gehen die gewaltsamen Auseinandersetzungen weiter

BERLIN taz ■ Innerhalb der kommenden sechs Monate sollen in Haiti Parlamentswahlen stattfinden. Dies kündigte Staatspräsident Jean-Bertrand Aristide schon am Montag auf dem Gipfeltreffen der amerikanischen Staatschefs an. An einen vorzeitigen Rücktritt denkt er aber nicht. Er werde, wie es die Verfassung vorsieht, bis zum 7. Februar 2006 in seinem Amt bleiben, sagte Aristide bei dieser Gelegenheit.

Die täglich auf den Straßen der Hauptstadt Porte-au-Prince demonstrierende Opposition glaubt ihm aber kein Wort. Mischa Gaillard, einer ihrer Sprecher, bezeichnet die Ankündigung als Täuschungsmanöver. „Aristide verspricht viel“, erklärte er. Bereits im vergangenen Jahr hätte der Staatschef mehrmals Neuwahlen versprochen, die genannten Termine dann jedoch verstreichen lassen.

Doch auch die Opposition hat Neuwahlen verhindert. Sie weigerte sich nämlich, Mitglieder einer Wahlkommission zu benennen. Sie begründet dies mit den gewaltsamen Übergriffen auf ihre Büros und Mitglieder bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Jahre 2000.

Am vergangenen Montag ist aber die offizielle Legislaturperiode des Parlamentes abgelaufen. 83 Abgeordnete wie auch zwei Drittel des Senats, der 27 Mitglieder umfasst, müssten eigentlich neu gewählt werden.

Ob sich beide Seiten aufeinander zubewegen, ist jedoch fraglich. Zwar rief Aristide die Bevölkerung bei seiner Abreise zum Amerika-Gipfel auf dem Flughafen von Port-au-Prince zur Versöhnung auf. „Lasst Licht und Frieden überall im Land mit Weisheit scheinen“, wünschte der 50-jährige, ehemalige römisch-katholische Priester den Zurückgebliebenen. „Nach meiner Rückkehr werden wir die Bemühungen für einen unverzichtbaren Frieden intensivieren“ versprach er.

Doch der Friede währte nicht lange. Kaum hatte die Maschine Richtung Monterrey von der Flugpiste abgehoben, flogen wieder Steine. Und sogleich griffen seine Anhänger, die „Schimären“, Studenten der medizinischen Fakultät an. Diese wollten mit einem Gedenkmarsch durch die Straßen von Port-au-Prince und einer Messe in der wenige Autominuten entfernten Kleinstadt Petionville an die Ermordung eines Kommilitonen vom Vorjahr erinnern.

In dem 80 Kilometer westlich der Hauptstadt gelegenen Städtchen Miragoane wurde am Wochenende ein Sympathisant der Regierungspartei Famni Lavalas von Unbekannten erschossen. Aus Rache übergossen daraufhin Parteigänger Aristides einen der Demonstranten mit Benzin und steckten ihn an – er schwebt nach wie vor in Lebensgefahr. In der Hafenstadt Cap Haïtiene erschossen Unbekannten den neu ernannten Polizeichef des Nord-Departments, Edner Jeanty.

Seit Anfang Dezember kommt das ärmste Land Lateinamerikas nicht mehr zur Ruhe. Mehrere Minister, darunter die Erziehungsministerin, traten aus Protest gegen das brutale Vorgehen der Staatsmacht gegen die Studenten von ihrem Amt zurück. Bei Zusammenstößen im ganzen Land zwischen Regierungsanhängern und -gegnern sind in den letzten Monaten bereits mehr als 50 Personen ermordet worden.

Obwohl Oppositionsbündnisse wie die Demokratische Konvergenz oder der Zusammenschluss von Nichtregierungsorganisationen zur „Gruppe der 184“ immer mehr Zulauf haben, verfügt der Staatspräsident durchaus noch über eine große Anhängerschar. Bisher ist es dem früheren Armenpriester und Anhänger der Befreiungstheologie immer wieder gelungen, seine gewalttätigen „Schimären“ gegen Menschenrechtsgruppen, Feministinnen und Intellektuelle im geamten Land zu mobilisieren. HANS-ULRICH DILLMANN

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