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Estland wählte eine Mitte-rechts-Regierung

Die sozialdemokratische Zentrumspartei findet trotz Stimmengewinne als stärkste Partei keine Koalitionspartner mehr

STOCKHOLM taz ■ Eine bisher unbedeutende rechtspopulistische Partei landete bei den Parlamentswahlen in Estland am Sonntag einen großen Wahlerfolg. Mit 24,6 Prozent der Stimmen erreichte die „Res Publica“ auf Anhieb den zweiten Platz – nur einige tausend Stimmen hinter der siegreichen linken Zentrumspartei.

Die von Juhan Parts, dem ehemaligen Chef des Staatlichen Rechnungshofs geführte Partei, versprach neben den für solche Parteien üblichen Forderungen höhere Pensionen. Der russischen Minderheit sollen Sprachtests für die Erlangung der estnischen Staatsangehörigkeit erspart werden. Auch eine andere populistische Partei, die Bürgerunion, konnte mit 13 Prozent überraschend viel zulegen.

Die sozialdemokratisch orientierte Zentrumspartei gewann zwar leicht dazu und wurde wie bei den Wahlen 1999 erneut stärkste Partei. Angesichts der wachsenden sozialen Kluft im Lande, hatte diese von Tallinns Bürgermeister Edgar Savisaar geführte Partei auf sozialpolitische Fragen gesetzt. So will sie Großverdiener mit einem Steuersatz bis zu 33 Prozent zur Kasse bitten, während Niedrigverdiener mit 16 Prozent deutlich entlastet würden.

Es ist dieses neue Steuermodell, welches vermutlich eine Fortsetzung der jetzigen Regierungskoalition unmöglich machen wird. Diese bestand aus der Zentrumspartei und der liberalen Reformpartei. Letztere konnte ebenfalls leicht auf 17,7 Prozent zulegen. Ihr Vorsitzender, der bisherige Ministerpräsident Siim Kallas, hat wegen des Steuerstreits eine weitere Zusammenarbeit mit dem Zentrum abgelehnt. Die Reformpartei will alle Steuern auf eine 20-Prozent-Pauschale absenken. Dies würde vor allem die Besserverdienenden begünstigen und die Lage der öffentlichen Finanzen weiter verschlechtern. Da Res Publica ebenfalls eine Koalition mit der Zentrumspartei ausgeschlossen hat, wird Estland vermutlich von einer Mitte-rechts Koalition regiert werden. Möglicherweise unter Beteiligung von zwei Parteien, deren Stimmenanteil jeweils mehr als halbiert wurde, der konservativen Pro Patria und den rechtssozialdemokratischen „Moderaten“. Aussichtsreiche Ministerpräsidentenkandidaten sind Juhan Parts und der bisherige Amtsinhaber Siim Kallas.

Obwohl mit der Zentrumspartei, Res Publica und der Bürgerunion gleich mehrere Parteien mit EU-skeptischen Tönen erfolgreich auf Stimmenfang gegangen waren, stellt keine Parlamentspartei die EU-Mitgliedschaft in Frage. REINHARD WOLFF

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