: Warten auf die Supermaus
„I want more life, fucker“: Die Ausstellung „Animations“ in den Kunst-Werken widmet sich rund dreißig Künstlern, die für Trickfilme gezeichnet, gebastelt, geknetet, gerechnet und gepixelt haben
von BRIGITTE WERNEBURG
Politic goes culture: Wer sich kürzlich die „Animations“-Ausstellung in den Kunst-Werken anschaute, konnte dort Antje Vollmer in Begleitung von Friedrich Christian Flick begegnen. Jetzt fragt man sich natürlich, hat der Big Spender in Sachen Kunst überhaupt „More Life“ (2001), die treffendste Arbeit der Ausstellung, gesehen? Denn: Claudia Harts Screen in der Größe einer Streichholzschachtel hängt auf der Damentoilette. Klein, fein und Pars pro Toto für die Mühen der „Animation“ wiederholt dort Harts rosafarbener Bär ständig den aus „Blade Runner“ geklauten Satz, der die ganze Verzweiflung des Replikanten Roy Batty alias Rutger Hauer ausdrückt: „I want more life, fucker“.
Man könnte in der Ausstellung, die die Kunst-Werke vom New Yorker P.S.1 übernahmen, das notwendige Korrektiv zu „Deutschemalereizweitausenddrei“ in Frankfurt sehen und all den weiteren Ausstellungen in Frankfurt, Karlsruhe oder Wolfsburg, wo jetzt Wunder wie getan wird, weil die Kunst wieder auf der über den Keilrahmen gespannten Leinwand stattfindet, während Foto, Video, Computer und Film schwer an Reputation und Attraktion eingebüßt haben sollen. Zwar ist in den genannten Schauen ohne weiteres zu sehen, dass n-tv, Photoshop und Pixelpark jederzeit unter der unbewegten Fläche der Farbpigmente lauern. Aber erst hier in Berlin, wo die Bilder in Bewegung geraten, erinnert man sich wieder daran, dass die Vollendung der Ölmalerei in der Renaissance doch auch nur durch den Wunsch nach „mehr Leben“ motiviert war. Weshalb, wenig verwunderlich, all der technische Klimbim, der uns heute so viel Leben gibt – ob in der Kunst oder im Alltag –, aus genau diesem Geist der Renaissance stammt, der die Malerei so prächtig verstand.
Mehr Leben ist eben immer eine Konstruktion. Ob in Öl oder auf dem Rechner. Ob figurativ oder abstrakt. Und eine der hübschesten Konstruktionen ist dabei zweifellos der Trickfilm. Diesem Medium einen großen Auftritt zu geben und mal zu schauen, was Künstler vom Anfang des 20. Jahrhunderts bis heute mit ihm anfingen und noch immer anfangen, ist eine ausnehmend gute Idee der Kuratorinnen Carolyn Christov-Bakargiev und Larissa Harris. Rund dreißig Künstler haben sie eingeladen, die sowohl analog wie digital arbeiten und ihre figürlichen wie völlig abstrakten Clips aus Zeichnungen, Knetgummi, Scherenschnitten oder 3-D-Animationen herstellen. Die alten Techniken, die noch der Spur der Handschrift trauen, sind hier also ebenso gut aufgehoben und beteiligt wie die Technologien, die für die anonyme Produktion stehen. Elegisch erscheint die programmatische „At the Cinema“-Sektion“ – eine Auswahl historischer Trickfilme –, wenn etwa Windsor McCay tausende von Zeichnungen anfertigt, damit Little Nemo im Film das Laufen lernt.
Gegen dessen Eleganz kommen Karen Yasinskys plastische Figuren plump und ungeschickt daher und ausnehmend grobschlächtig wirken da auch die Scherenschnitte des südafrikanischen Dokumenta-Teilnehmers William Kentridge. Trotzdem gehören beide Arbeiten zu den eindrücklichsten der Ausstellung. „Shadow Procession“ zieht im Extra-Large-Format über die große Leinwand in der zentralen Ausstellunghalle der Kunst-Werke, als eine schwer deutbare Prozession der Mühseligen und Beladenen, dunkel und lastend. Schwer deutbar auch die Angst, die Karen Yasinskys Animation im Stop-Motion-Verfahren den Titel gibt, aber dafür ist sie tatsächlich spürbar. Obwohl ihre Protagonisten doch nur im Flugzeug sitzen.
Gleich nebenan kann man sich selbst setzen und es sich im Lounge-Ambiente gemütlich machen, das Francis Alýs aufgebaut hat, mit Plattenspieler, Sitzgruppe und der in zarten Umrissen gezeichneten Frau an der Wand, die unermüdlich blaues Wasser von einem Glas ins andere gießt. Gegenüber der animierten Zeichnung wirken die computergenerierten Trickfilme immer ein bisschen zu massiv. Zu kompakt in Farbe und Form, glaubt man am Ende doch immer nur das eine bekannte Computerspiel zu sehen. Wie etwa bei Peggy Ahweshs „She Puppet“, das alle Varianten durchexerziert, wie man in einem Ballerspiel umkommen kann. Wenn Haluk Akakce dagegen mit dem Rechner nie gesehene Blumen erblühen lässt, hat das großen artifiziellen Charme, der seine schönste Steigerung in Jeremy Blakes bewegter Farbabstraktion erfährt. Manchmal glaubt man bunte Pillen zu sehen und manchmal schaut Blakes „Guccinam“ so aus, als er ob Katharina Grosses wandfüllenden Farbnebeln eben noch etwas mehr Leben gegeben hätte.
Am besten aber agiert im Grenzbereich zwischen Virtualität und Konkretion, dem Bereich, den die Animation von Anfang an als den ihren definierte, noch immer das menschliche Gehirn mit seinem Erinnerungs- und Assoziationsvermögen. Und daher sollte man nicht versäumen, in Juan Muñoz’ kleine Kammer einzutreten. Das wunderhübsche Mauseloch und die Titelmelodie aus „Tom und Jerry“ lassen den Film im Kopf sofort ablaufen. „Waiting for Jerry“ ist zweifellos der überzeugendste Trick in „Animations“.
Bis 6. April, Kunst-Werke, Auguststr. 69, Di–So 12–18 Uhr, Katalog 20 €
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen